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Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)

Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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wichtige Aufgaben hier im Schloss habe!“, meinte sie stolz.
    „Freilich, Elize. Doch deine vorrangige Aufgabe ist es nicht, meine Gefangenen zu belauschen“, entgegnete ihr Montfort. „Schick mir den Wachhabenden herein, wenn du gehst, er soll den Spielmann augenblicklich in den Pinto-Turm zurückbringen.“
    Elize war ein wenig enttäuscht. Zu gern hätte sie noch einmal Mäuschen gespielt. Nicht, dass sie neugierig gewesen wäre. Es ging ihr doch nur darum, Simon zu helfen. In jeder Hinsicht.

    Als Sanchas Nachricht eintraf, hatte Miraval bereits drei Wochen lang nach dem Jungen gesucht. Fast jeder Spur war er nachgegangen. Als er auf das zerstörte Dérouca stieß, war ihm wieder sein eigenes Gut vor Augen gestanden, und in einer Aufwallung heftigsten Zornes hatte er die Fäuste geballt. Zurück in Toulouse konnte er mit Sanchas Zeilen zuerst nichts anfangen. Er getraute sich aber nicht, sie Balthus oder einem anderen zu zeigen. Erst nach einer schlaflosen Nacht – wo Weiber sind, da ist Verwirrung! - stellte er fest, dass sich Sancha des Alphabeti Kaldeorum bedient hatte, einer alten Geheimschrift, die sie aber offenbar nur unzureichend beherrschte. So hatte sie hinter jeden Buchstaben nur einen oder mehrere unsinnige Zeichen gesetzt, die aussahen wie Litterae einer fremden Sprache. Sancha, die offenbar von Cadeil erfahren hatte, wo sich Damian von Rocaberti derzeit befand, „befahl“ ihm kurzerhand, den Jungen freizukaufen. Doch wie sollte er, der Troubadour ohne Vermögen, das anstellen? Er fasste sich ein Herz und zog – obwohl er noch immer nicht wusste, was in Leonoras Brief an ihren Gemahl stand - seinen Freund Raymond ins Vertrauen.
    Der Graf erbat sich einen Tag Bedenkzeit. Dann ließ er Miraval rufen und überreichte ihm einen Beutel mit dreißig tolosanischen Livre sowie eine Schenkungsurkunde, wertvolles Land im Aude-Tal betreffend. „Für`s höchste Gut, die Freiheit Okzitaniens!" sagte er ernst. „Meine Schwiegertochter hat recht. Wir dürfen keine Möglichkeit ungenutzt lassen, um Toulouse zu retten. Mein Sohn Ro ç wird dich begleiten , Audiartz. Gott befohlen! “
    Gekleidet in einfachstes Grauwerk ritten sie los.

    Flammendrot stand die Sonne im Westen, doch davon abgesehen war der Himmel aschfahl. Kündigte sich ein erster Herbststurm an? Die Finken im Spindelstrauch zankten; aber das taten sie immer wenn es auf die Komplet zuging. Damian saß neben einigen anderen Novizen auf der kleinen Mauer vor der Kapelle. Er gähnte heimlich. Wo Olivier nur blieb? Nachdem sie den ganzen Tag in den Weingärten gearbeitet hatten – der Rebschnitt war schon überfällig gewesen – hatte man ihn auch noch zum Küchendienst eingeteilt. Bruder Hervé, einer ihrer neuen Aufpasser, zeichnete gelangweilt mit der Spitze seines Stiefels Kreise in den Sand, während er leise mit Bruder Aaron plauderte. Kobold-Pons zeigte sich nicht mehr. Es war, als hätte es ihn nie gegeben.
    Aus dem mittleren der drei Fenster im rechteckigen Chorabschluss schoss ein Vogel heraus. Drei Fenster? Drei Tore? Das Rätsel seines Großvaters! Damian biss sich auf die Lippen.

    Es gibt drei Tore.
    Wenn eines offen ist, sind zwei geschlossen.
    Wenn zwei offen sind, ist eines geschlossen.
    Was ist das?

    Zuhause hatte er sich fast täglich darüber den Kopf zerbrochen, das Enigma aber nicht lösen können. Mutter hatte gelacht und ihn vertröstet. „Ich habe auch lange gebraucht, um die Zusammenhänge zu verstehen“, hatte sie gesagt. „Du musst dir das Rätsel erarbeiten. Lerne die Worte auswendig, aber verbirg sie vor anderen in deinem Herzen. Wenn du die letzte Prüfung abgelegt hast, wirst du dich daran erinnern.“ Aber wer, beim bärtigen Ganymed, sollte ihm die Prüfung abnehmen? Wenn eines offen ist, sind zwei ....
    Schluss damit! Hier auf Brucafel gab es genug andere Mysterien. Die nächtlichen Schreie. Der Kuss. Selbst die Kapelle mit ihren unzähligen Sparrenköpfen war nicht geheuer! Da ging es um das Tor der Seligkeit. Doch von wegen! Trat man ein, gab es nichts als grüne Ranken und Blätter, die aus blutigen Mündern hässlicher Fratzen wucherten.
    Wo nur Olivier blieb? Es musste doch bereits Zeit für die Komplet sein!
    Es donnerte leise. Hervé und Aaron betrachteten ebenfalls skeptisch den Himmel. Aaron betrat die Kapelle, ließ die Tür weit offenstehen, und Damian beobachtete, wie er sich vor dem schrecklichen Kopf – gewissermaßen die Krone der Seligkeit! - tief verbeugte und das Te lucis ante terminum

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