Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)
zu und machte sich mit Lacy und anderen auf den Weg.
Ein letzter Aufschrei Giraldas - offenbar war ihre Seele noch einmal zurückgekehrt -, dann war nur noch das „ Ho! Hisse! “ kurz vor dem Umkippen des Eselskarren zu hören, das Scheppern der Steine und das nachfolgende Grölen.
Lavaurs Golgatha befand sich auf einem flachen, mit knotigen Kiefern, Blauem Heinrich, Ginster und Wacholder bewachsenen Hügel.
Mit achtzig Rittern an seiner Seite, alle an Händen und Füßen gefesselt, wartete dort der Edle von Montréal auf sein Urteil. Als er den Führer des Kreuzzugs den Hügel heraufkommen sah – der Löwe auf dem roten Wappenrock musste ihm ja wie der Inbegriff der Macht und der geborenen Würde vorkommen - schmetterte er ihm mit dem Mut eines solchen Tieres entgegen: „Seht her, der Antichrist und der Diener des Papstes in Rom!“ Dann, Aug in Aug mit Montfort, spuckte er verächtlich vor ihm aus. Seine Getreuen taten es ihm nach. Einige lachten laut.
„An den Galgen“, schnarrte Montfort. Er deutete auf den Anführer. „Und ihn hängt zuerst!“
Doch die Eile, die die Kreuzfahrer an den Tag legten, um dem Befehl nachzukommen, stellte sich als verhängnisvoll heraus. Montréal, der der größte unter den Faidits war, baumelte gerade erst, als der Stützbalken nachgab und der Galgen mit einem gewaltigen Krachen umstürzte. Hätte Montfort nicht einen Sprung zur Seite gemacht, wäre er wohl erschlagen worden.
Die Prälaten kreischten vor Schreck auf.
Als Montfort die Häme in den Gesichtern der Todeskandidaten sah, überkam ihn abgrundtiefe Scham und eine wilde Wut. Die letzte Schranke fiel: Der Heerführer geriet außer sich, wie ihn noch keiner seiner Männer erlebt hatte. „Schneidet ihnen vor dem Hängen die Kehlen durch!“, schrie er.
Ein blutiges Gemetzel setzte ein, während der Galgen wieder aufgerichtet wurde.
Als endlich alle einundachtzig Ritter einträchtig nebeneinander baumelten, dämmerte es bereits.
Montfort war müde, doch seine Wut hatte sich noch immer nicht erschöpft. Sie richtete sich nun gegen den nicht enden wollenden Zug von Häretikern, den seine Kreuzfahrer ebenfalls auf den Hügel trieben. Männer, Frauen, Kinder. Montfort dachte an das feierliche Versprechen im Angesicht des Staubteufels und erteilte den knappen Befehl, alle zu verbrennen.
„Sub tuum praesidium confugimus ... “, betete er vier Tage später, bevor er mit Hugo von Lacy und einer großen Schar Ritter und Soldaten gen Saint-Polycarpe ritt, um den Jungen aus dem Kloster zu holen, „ ... Virgo gloriosa et benedicta. Amen.“
Ja, die glorreiche und gebenedeite Jungfrau würde ihn auch auf dieser Mission unter ihren Schutz und Schirm nehmen.
10.
Das Hineinsehen in gute Spiegel stärkt die Augen? Enttäuscht klappte Sancha den maurischen Spiegel ihrer verstorbenen Mutter zu, der aus Silber und Glas und mit allerlei schönen Edelsteinen aufgeziert war. Der Beweis war nun erbracht, dass die jüdischen Gelehrten aus Zaragoza mit ihrer Behauptung Unrecht hatten! Sie selbst hatte diese These nun wochenlang überprüft, war fast täglich die schmale Wendeltreppe zum Adlerturm hinaufgestiegen, um den Baufortschritt des vom Schloss weit entfernten Glockenturms von Saint-Sernin zu beobachten. Doch die Zimmerer und Maurer, die dort in schwindelnder Höhe zugange waren – ein Wunder, dass man sie überhaupt ausmachen konnte – waren noch immer nicht größer als ein Fliegenschiss auf einem gerade in der Sonne gebleichten Linnen. Das musste sie unbedingt Hagelstein schreiben!
Sie war kaum zurück in ihrem Gemach, als Roç hereinstürmte, ganz erhitzt.
„Nanu? Ist die Beizjagd schon zu Ende?“ Sancha klappte die kleine Truhe zu, in die sie den Spiegel bis auf weiteres verbannt hatte.
„Fulcos Märchenstunden!“, rief Roç aufgebracht und der schwere Lederhandschuh, den er zur Falkenjagd getragen hatte, landete im hohen Bogen auf dem Boden ihrer Kemenate. "Nach dem göttlichen Staubteufel hat er sich eine neue Wundergeschichte ausgedacht, um uns zu erniedrigen!"
„Der Bischof?“ Sancha hob die Brauen. "Befindet er sich denn wieder in der Stadt? Und von welchem neuen Wunder sprichst du?“
„Von einem hinterhältigen Schauspiel, dass er derzeit mitten in Toulouse aufführen lässt, ohne sich selbst die Finger schmutzig zu machen. Es ist in der Kirche der Heiligen Jungfrau zu sehen. Nun, je näher am Palast der ´ketzerischen Raymonds`, desto besser, wird sich Fulco gedacht haben, der falsche
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