Sanchas Hofnarr (German Edition)
betrachten. Und ich war noch gar nicht ganz bei mir, da gürtete er sich bereits, um meinen Mörder zu erdolchen. Doch Bertschie hatte wieder einmal das Weite gesucht ...“
Heute musste Falk über diese Geschichte lachen. Damals jedoch ließ ihn sein Wahn für die Jungfer Mäzli nicht zur Ruhe kommen. Sie oder keine. Er war klüger als Bertschie. Er fasste einen Plan. Noch verdiente er kein Geld - Lehrjahre sind keine Herrenjahre – doch Rübsam war nicht Boleslâv. Wenn er ihn nicht enttäuschte und tüchtig lernte, war der Doktor nach einem Jahr vielleicht milder gestimmt. Tapfer, frohgemut und fleißig ging Falk sein Tagwerk an, bis er durch einen dummen Zufall herausfand, dass Rübsam nicht der war, für den er sich ausgab und für den ihn seine Tochter hielt.
Immer dann, wenn sein Lehrherr mit seiner Kunst am Ende war, zog er sich in seine Kammer zurück, angeblich um dort seine Bücher zu Rate zu ziehen - in Wahrheit aber, um sich an einem Fässchen mit Johannisminne zu laben. Kam er heraus, roch er nach Wein. Doch das, was er anschließend den Kranken oder ihren Angehörigen riet, war oftmals so widersprüchlich, dass sein Lehrjunge bald stutzig wurde, zumal es oft unerklärliche Todesfälle gab.
In einer der Rauhnächte, in denen bekanntlich Frau Percht durch die Lüfte fährt, um die Spinnstuben zu inspizieren, wie man in seiner Heimat glaubte, brach Falk den zweiten Eid.
Folgendes war vorausgegangen: Ein plötzlicher Trauerfall hatten Rübsam und Mäzli für zwei Tage in einen Nachbarort geführt. Rübsam hatte Falk aufgetragen, die Wunden der Kranken zu verbinden, wie es auch sonst seine Aufgabe war, und alle anderen Fälle fortzuschicken.
Doch plötzlich stand die junge Frau des Müllers vor der Tür, deren Säugling hoch fieberte. Im Namen Christi flehte sie den „Herrn Doktor von Hagelstein“ an, dem Kind zu helfen.
Nun wusste Falk, dass Mütter mit kranken Säuglingen für gewöhnlich zur Hebamme geschickt wurden. Doch dort war die Frau bereits gewesen. Die kalten Wickel hatten nicht lange angeschlagen, auch das Einreiben mit Branntwein nicht und den Zulp, getränkt mit Mohnsaft, spuckte das Kind ständig heraus.
Freidanks Warnung in den Wind schlagend, dass derjenige, der sich der Hoffart zugesellt, am Ende auf die Nase fällt, ließ Falk die Müllerin in dem Glauben, er sei Arzt. Er wickelte das ganz mit Bändern und Binden eingeschnürte Kind aus und untersuchte es gewissenhaft, wie er es von Rübsam abgeschaut hatte. Der Säugling glühte tatsächlich wie das Feuer in der Hölle und sein Herzchen schlug schneller als das eines Sperlings.
Was sollte er tun? Beichten, dass er gar kein Doktor war und die Frau nach Hause schicken? Bis sein Lehrherr kam, war das Kind tot.
Da fielen ihm Rübsams Bücher ein. Kurzentschlossen brach er die Kammer auf. Auf dem Tisch, neben dem Fässchen mit Johannisminne und einigen klebrigen Bechern, in denen sich Mostfliegen tummelten, lag ein dickes Buch mit hölzernem Deckel.
Voller Ehrfurcht löste Falk die Schnüre. Er schlug das Buch auf, las:
Walahfrid Strabo - De cultura hortorum.
Falk stutzte ... In diesem Buch ging es nicht um Medizin - sondern um die Kulturen der Gärten!
Er sah sich weiter in der Kammer um, öffnete gar die einzige Truhe, die dort stand, aber nur rostige Aderlassmesser und obskure Zangen enthielt.
Stirnrunzelnd setzte er sich. Verscheuchte die Fliegen, blätterte weiter.
Strabo stellte in diesem Buch vierundzwanzig Pflanzen vor. Jede Seite bebildert und aufs Köstliche koloriert. Das Buch musste ein Vermögen wert sein. Er konnte nicht anders, als daran zu schnuppern. Es roch verführerisch nach Wissen.
Doch wo, um Himmels Willen, stand, wie man das Fieber eines Säuglings senkte?
Beim Umblättern des letzten farbigen Pergaments stieß er auf ein gutes Dutzend nachträglich eingebundener Seiten, die offensichtlich jemand gewissenhaft abgeschabt und dann mit Gallustinte und in kleinen Buchstaben überschrieben hatte. Hier endlich waren in lateinischer Sprache die unterschiedlichsten Krankheiten aufgelistet, nebst Hinweisen zu ihrer Bekämpfung.
Falk war erleichtert. Unter dem Stichwort „Fieber bei Säuglingen“ fand er sogar vierzig verschiedene Heilpflanzen verzeichnet: Kalmus, Sellerie, Gemeines Hirtentäschelkraut, Gelbe Lupine, Gelber Portulak, Fieber- und Bockshornklee ...
Das Buch fesselte ihn, je länger er las, doch draußen bangte eine junge Mutter um das Leben ihres Kindes. Falk entschied sich für die
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