Sanfte Selbstbehauptung
verheddern wir uns leicht in unser Betroffensein und dann sind wir mehr mit unseren Gefühlen und Gedanken beschäftigt als mit dem, was unser Gegenüber zu uns sagt. Mit dem Schutzschild können wir selbst unangenehme Nachrichten, wie beispielsweise Kritik an unserer Arbeitsleistung, ruhig und gelassen aufnehmen. Wir sind offen für das, was passiert, ohne darin zu versinken.
Wenn das Gespräch immer wieder im Streit endet
Regina gehörte zu den Teilnehmern, die anfangs skeptisch waren, als ich im Selbstbehauptungstraining die Schutzschildstrategie vorstellte. Dennoch wollte sie ihr Schutzschild ausprobieren und zwar in einer Situation, die sie seit Jahren belastete: beim Besuch ihrer Mutter.
Ich rate immer, eine Selbstbehauptungsstrategie zunächst in einer einfachen, unproblematischen Situation auszuprobieren, weil man sie so am besten trainieren kann. Und sollte sie nicht auf Anhieb klappen, ist das dann nicht so schlimm. Regina aber wollte ihr Schutzschild gleich in einer für sie sehr problematischen Situation testen.
Bauen Sie Ihr Schutzschild auf,
wenn Sie auf jemand allergisch
reagieren.
Solange Regina zurückdenken konnte, war es schwer für sie, mit ihrer Mutter auszukommen. Sie bezeichnete ihre Mutter als überkritisch. Eine Frau, die von morgens bis abends überall nur Fehler sucht und immer auch welche findet. Regina bekam schon als kleines Kind jede Menge Tadel und Ermahnungen zu hören. Und auch heute noch hatte sie das Gefühl, es ihrer Mutter nie recht machen zu können.
Mittlerweile war Regina über 40 Jahre alt und das Verhältnis zwischen den beiden war immer noch angespannt. Seit Jahren hatte Regina keine Lust, ihre Mutter zu besuchen. Die beiden sahen sich nur einmal im Jahr, zu Weihnachten, wobei das gemeinsame Weihnachtsessen immer mit einem Streit endete.
Es ist aussichtslos, von jemandem
Anerkennung bekommen zu wollen,
der Ihnen keine geben kann. Die
einzige Anerkennung, die Sie wirklich
brauchen, ist Ihre eigene.
Meistens passierte Folgendes: Die Familie saß am Tisch und plauderte, bis Regina irgendwann etwas von sich erzählte. Von ihrer Arbeit oder von ihrem letzten Urlaub. Das war der Moment, in dem ihre Mutter ihr immer die gleichen Vorwürfe machte. Sie war enttäuscht, dass ihre Tochter nicht studiert hatte und so wenig aus ihrem Leben gemacht hat. Und von den Urlaubsorten im Ausland, die Regina besuchte, hielt ihre Mutter auch nicht viel. Schließlich könne man im eigenen Land hervorragend Urlaub machen und Regina hätte keine Ahnung, welche Sehenswürdigkeiten direkt vor ihrer Haustür lagen. Spätestens jetzt ging Regina an die Decke. Sie ärgerte sich über die Ansichten ihrer Mutter, über die ständige Kritik und die ewig gleichen Vorwürfe. Die Mutter hielt dagegen und sprach davon, dass sie ein Recht auf ihre Meinung hätte und sich von ihrer Tochter nicht das Sprechen verbieten lasse. Und so gab es Jahr für Jahr die gleiche Bescherung. Statt stiller Nacht kam es zum lauten Krach. Und ausgerechnet in einer solchen Situation wollte Regina zum ersten Mal ihr Schutzschild ausprobieren.
Wie man es schafft, kritische Bemerkungen nicht persönlich zu nehmen
Ich traf Regina ein Jahr später wieder, beim Selbstbehauptungstraining für Fortgeschrittene. Gleich zu Beginn des Trainings erzählte sie von ihren Erfahrungen mit dem Schutzschild. Mittlerweile war sie davon begeistert. Sie hatte ihr Schutzschild einem Härtetest unterzogen und ihre Mutter zum Geburtstag besucht. Auch hier bahnte sich wieder das bekannte Streitmuster an. Irgendwann bei Kaffee und Kuchen erzählte Regina etwas von sich und ihre Mutter saß da, schüttelte mit dem Kopf und sagte: »Mein Gott, Kind! Wann wirst du endlich auf mich hören? Du hättest so viel aus deinem Leben machen können. Ich hab dir immer gesagt, wenn du dich nur ein wenig mehr anstrengen würdest, könntest du...« Das waren genau die Reizworte, bei denen Regina normalerweise hochgegangen wäre. Aber jetzt hatte sie sich innerlich gewappnet. Sie hatte ihr Schutzschild aufgebaut und sie war entschlossen, diese kritischen Bemerkungen ganz bewusst an sich abprallen zu lassen.
Sie haben das Recht, so zu sein, wie
Sie sind. Und andere Menschen dürfen
ebenfalls so sein, wie sie sind.
Regina erzählte, was dann passierte: »Ich hörte, wie meine Mutter wieder so sprach, als sei ich die Enttäuschung ihres Lebens. Und ich saß da, hinter meiner durchsichtigen Panzerglasscheibe und hatte zum ersten Mal
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