Sanfte Selbstbehauptung
beschäftigen. (Alles, was jetzt kommt, sind Durchschnittsangaben und Tendenzen.)
Bei Frauen geht es häufiger als bei Männern um das Aussehen und um die Beziehungen zu anderen Menschen. Viele Frauen haben heftige Kritikerattacken wegen ihrer Figur, weil sie zu viel wiegen oder weil sie älter werden. Selbst Frauen, die schlank sind und scheinbar keine Gewichtsprobleme haben, leiden häufig unter einem strengen inneren Kritiker, der ständig aufpasst, dass sie kein Gramm zunehmen und genug Sport treiben. Außerdem verlangt der innere Kritiker bei Frauen, dass sie sich um gute Beziehungen zu anderen Menschen kümmern und dabei möglichst sympathisch wirken. Bei Störungen in den Beziehungen gibt der innere Kritiker fast immer der betreffenden Frau die Schuld daran. Sie hätte sich mehr anstrengen oder verständnisvoller sein müssen. Oder der innere Kritiker hält die betreffende Frau schlicht für nicht liebenswert.
Der innere Kritiker ist nicht nur
ein Problem von Frauen.
Auch Männer leiden unter selbstkritischen
Gedanken.
Bei den meisten Männern ist das anders. Gute Beziehungen sind zwar wichtig, stehen aber nicht an allererster Stelle. Auch der Bauchumfang oder die Falten im Gesicht sind viel seltener Anlass für eine Kritikerattacke. Meistens meckert der innere Kritiker bei Männern nur darüber, dass der betreffende Mann eine Glatze bekommt.
Der Kritiker ist mehr darum besorgt, ob der Mann auch obenauf ist. Ob er eine gute Position hat, ein Siegertyp ist und genügend Geld verdient. Dem inneren Kritiker bei Männern geht es mehr um Status und Macht, um Überlegenheit und Dominanz. Auf keinen Fall darf der Mann ein Pantoffelheld sein, der vor anderen herumkriecht.
In meinen Selbstbehauptungstrainings fiel mir immer wieder auf, dass Frauen ihre Kritikerkommentare oft laut aussprechen. Frauen neigen mehr als Männer dazu, über sich selbst etwas Negatives zu sagen. Zweifellos können Männer auch selbstkritisch über sich sprechen, aber sie tun es seltener. Dadurch kann der Eindruck entstehen, Frauen hätten einen größeren inneren Kritiker als Männer. Das haben sie aber nicht. Männer reden nur weniger darüber.
Über sich selbst etwas Negatives
sagen, kommt bei Frauen häufiger
vor als bei Männern.
Von kleinen Tröstern und anderen Fluchthelfern
Nachdem der innere Kritiker hart mit uns ins Gericht gegangen ist, fühlen wir uns mies. Sich mies fühlen ist ein Oberbegriff für eine ganze Reihe von belastenden Gefühlen. Das geht von schlechter Laune über Selbstzweifel und Niedergeschlagenheit bis hin zur Depression. Um aus diesen belastenden Gefühlen herauszukommen, greifen die Menschen häufig zu zwei verschiedenen Lösungen, die eigentlich keine Lösungen sind, sondern nur Verschlimmerungen.
Die erste »Lösung« besteht darin, dass wir nach einer Kritikerattacke irgendetwas tun, um das miese Gefühl zu verändern. Am schnellsten geht das mit den kleinen Tröstern: erst einmal eine Zigarette anzünden, ein bis zwei Gläser Rotwein trinken, schön einkaufen gehen oder sich eine Tafel Schokolade gönnen. So entsteht eine kleine Flucht vor dem schlechten Gefühl, das durch eine Kritikerattacke entstanden ist. Aber der innere Kritiker meldet sich nicht nur einmal zu Wort, nein, er spricht immer wieder. Und wieder greifen wir zu einem kleinen Tröster. Wieder versuchen wir damit aus dem miesen Gefühl herauszukommen. Diese kleine Flucht, dauernd wiederholt, kann zu einem ausgewachsenen Fluch werden. Aus den Fluchthelfern wie Zigaretten, Alkohol, Essen oder Einkaufen kann sich eine Abhängigkeit entwickeln.
Hinter jeder Sucht oder Abhängigkeit
steckt ein innerer Kritiker.
Wenn wir aber abhängig werden, dreht der innere Kritiker richtig auf. Jetzt beschämt er uns, weil wir so undiszipliniert und willenlos sind und immer wieder zu diesen Fluchthelfern greifen. Und weil der innere Kritiker so sehr auf uns herumhackt und wir uns so mies fühlen, zünden wir uns noch eine Zigarette an, trinken ein paar Gläser Wein, essen wieder etwas Süßes... und so entsteht ein Teufelskreis. Je abhängiger wir werden, umso mehr Ohrfeigen verpasst uns der innere Kritiker und umso schlechter fühlen wir uns. Je schlechter wir uns fühlen, desto mehr verlangen wir nach den Mitteln, die unsere Stimmung wenigstens für kurze Zeit verbessern.
Letztlich sorgt der innere Kritiker mit seinen Attacken dafür, dass wir am Ende das tun, wofür er uns dann wieder kritisieren kann. Hinter jeder
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