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Sankya

Sankya

Titel: Sankya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zakhar Prilepin
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wechselten sich diese beiden Masken in Wenjas Gesicht ohne jegliches System ab, was bei der am Fenster stehenden Frau nicht gerade Vertrauen erweckte.
    »Mist, wenn sie wenigstens eine Oma wäre. Eine Oma hätte Mitleid«, schimpfte Wenja, als die Frau, die im Übrigen nichts antwortete, die Vorhänge zuzog, dann aber neben dem Fenster stehenblieb; man konnte deutlich ihren Umriss sehen.
    »Vermutlich hat sie noch andere Fenster auf die Straße hinaus …«, sagte Sascha und unterbrach den Satz; es war sowieso klar, dass sie die Frau, sollte sie gesehen haben, was sie dort aufgeführt hatten, niemals hineinlassen würde.
    »Wir haben höchstens noch zwei Minuten …«, überlegte Wenja schnell, der die Antwort offenbar überhört hatte. Er erinnerte sich – »Sanjok, lass es.« »Lass es« war seine Lieblingsformulierung, die viele Bedeutungen hatte; diesmal bedeutete sie: »Jetzt werde ich’s dir zeigen!« – »Dort lief vor uns ein Sportler, ein Läufer. Ein Leichtathlet, nicht wahr. Ein Lauf am Sonntagmorgen. Er lief als Erster in die Sondereinheit. In roten Hosen. Ach, sie haben ihn sofort verdroschen. Einfach Debile, Scheiße nochmal. Der Typ tat was für die Gesundheit.«
    Schritte waren zu hören, und Wenja erstarrte mit einem Grinsen im Gesicht, Sascha wollte sich, warum auch immer, hinsetzen oder sogar hinlegen.
    Ljoscha Rogow kam in den Hof gelaufen – ein Junge irgendwo aus dem Norden. Aus Sewerodwinsk oder so.
    Sie kannten sich noch kaum, doch Sascha akzeptierte Ljoschka schon – er schätzte seine dezidierte, unerschütterliche Ruhe.
    »Was steht ihr da rum?«, fragte Ljoscha mit ruhiger Stimme.
    »Sind die Bullen schon da?«, beantwortete Sascha die Frage mit einer Gegenfrage.
    »Es sind noch hundert Meter bis zu ihnen. Ist das eine Sackgasse? Im Nachbarhof ist offenbar ein Durchgang. Ich bin gestern hier rumgelaufen.«
    Die Straße versetzte sie mit all ihrem Chaos und ihrer Verwüstung noch immer in Erstaunen.
    »Sie haben einen Wagen angezündet!«, freute sich Wenja.
    Die Luft war erfüllt von Hundegekläff, Sirenen und Pfiffen.
    Sascha bemerkte noch zwei weitere umgestürzte Autos, eines davon – siebzig Meter die Straße hinunter, brannte sogar. Alle hielten Abstand zu ihm. Vermutlich deshalb kam auch keine Polizei, man befürchtete eine Explosion.
    Das zweite schaukelte zehn Meter entfernt von ihnen auf dem Dach liegend.
    Daneben tanzte zur Alarmanlage, die immer wieder in Geheul überging, eine Pennerin – dreckiges Gesicht und feuchte Lippen, als wären ihre Wangen nach außen gekehrt. Das Weib grinste, öffnete den zahnlosen Mund.
    Nicht weit entfernt stand ein junger Mann mit Aktenkoffer, der aus irgendeinem Grund Schlüssel in der Hand hielt.
    »Es ist sein Auto«, erriet Sascha.
    Wenja blieb einen Moment lang stehen: »Hör mal, Landsmann!«, rief er den jungen Menschen, der sein Gesicht nervös verzog. Er drehte sich um.
    »Schalt die Sirene aus, das nervt«, bat Wenja, grinste und machte mit dem Daumen eine Geste, als würde er eine Alarmanlage ausschalten.
    Sie stürzten in den Hof, rannten, über die Bänke springend, an Pavillons und Rutschen des Kinderspielplatzes vorbei. Fast im Flug streifte Sascha das rostige Skelett der Schaukel und hörte einige Sekunden lang hinter seinem Rücken deren rhythmisches Ächzen.
    Hinter den Jungs liefen drei Milizionäre schweren Schritts und forderten sie drohend auf, stehenzubleiben. Sascha, der sich auf den Ruf hin umdrehte, sah, dass der erste von ihnen dem Schäferhund kaum nachkam, den er unter Mühen an der Leine festhielt.
    »Lassen sie den Hund von der Leine oder nicht?«, überlegte Sascha befremdet, als ginge es dabei nicht um ihn. Er entschied, sich nicht mehr umzudrehen.
    Die Jungs liefen aus dem Hof zur Straßenbahnhaltestelle, an der nur ein paar Menschen standen – allzu gern hätten sie sich in der Menge verloren.
    Von der Haltestelle fuhr eine Straßenbahn ab. Sie liefen ihr hinterher und holten sie nach dreißig Metern ein.
    Wenja rannte als Erster und winkte freudig mit den Händen, er rief etwas Unverständliches und machte dabei wütende Zeichen Richtung Straßenbahnfahrerin, deren zufriedenes Gesicht im Rückspiegel aufblitzte.
    Die Straßenbahn hielt an, die mittleren Türen des Waggons öffneten sich, die Jungs stürzten in die Tram, Ljoscha Rogow eilte sofort zur Kabine der Straßenbahnfahrerin. Sascha bemerkte, wie er zur Fahrerin etwas sagte, einen Geldschein hinschob, sich entschuldigte und die Tür

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