Satt Sauber Sicher
Handel schon wieder mächtiger ist als er selbst. Es ist wieder viel Geschrei am Start. Roland geht zu dem Tisch, an dem er vorhin mit den Fickern saß. Da liegt noch sein Handy. 27 Anrufe in Abwesenheit. Verfickte Scheiße. Roland checkt die Liste der entgangenen Calls. Nur Bratwürste haben angerufen und irgendjemand namens Anuschka. Diesem Namen kann Roland nicht sofort ein Gesicht, ein Gefühl oder eine Stimmung zuordnen. Dann fällt ihm die Nutte von vorgestern ein und dass sie sich melden wollte. Das hat sie dann wohl getan. Warum auch immer.
Der Moment kommt. Der Moment. Es kommt ein Moment. Der Moment. Will bleiben, ewig sein. Er macht was mit Roland, der den Moment nicht ernst genug nimmt. So kann der Moment ganz tief in ihn rein. Der Moment geht tiefer als tief in Roland rein und macht diverse Veranstaltungen mit und in ihm. Roland schwitzt an den Händen, die sein Handy festhalten. Er ordnet die Anrufe nach Wichtigkeit und die Nutte belegt den viertletzten Platz. Roland beginnt, ganzkörpermäßig Schweiß abzusondern.
Der Moment fesselt Roland an sich, weil es so ein Moment nötig hat zu glänzen wie eine Fettsau in der Schlachterei. Glänzt also, der Moment, und macht Roland ein seltsames Gefühl in den Leib.
Irgendwas zwischen Zerbrochensein, Erbrochensein und in der Nähe von Freiheit Glück auf der Flucht vor einem selbst gesehen zu haben.
Das Handy. 27 Anrufe in Abwesenheit wegen fünf Minuten kacken und sterben. Das Handy kommt Roland ein wenig vor wie die Streitaxt der Kapitalgesellschaft. Und man bekommt davon mobilen Krebs im Kopf.
Die Bratwürste wollten allesamt ihre Geschäfte verbessern und ihren Reichtum mehren. Die Nutte ebenso. Doch weder Nutten noch Kapital interessieren Roland jetzt. Er steht im Tumult der Frankfurter Börse zur besten Handelszeit und schließt einfach die Augen. Er lässt die Welt einfach so versinken, dabei gleitet ihm sein Handy aus der Hand und zersplittert am Boden. Zerbrechlichkeit - deutsche Wertarbeit. Roland umfängt eine Art Trance, die aus Reizüberflutung entstand. Da wird sein autistisches Ich wach und legt Rolands Sinne zärtlich schlafen. Jetzt ist nur noch kleine, wirkungslose Leere in ihm. Es gibt nur ein Jetzt und von fern klingen leicht Klaviermelodien durch sein Gehirn und reflektieren mit gewaltigem Echo an den Wänden seines Schädels, der all diese Gedanken aushalten muss und dann auch noch diesen Körper adäquat steuern soll. Unmöglich in diesem Moment. Also steht der Körper regungslos da, während um ihn die Schergen der Hölle weiter ihr Treiben zelebrieren und business as usual machen. Die Klavierscheiße macht Roland so ruhig, dass er einfach schlafen könnte. Die Melodien alle unbekannt, alle schön fett und wohlklingend. Roland auf der Stufe zum Verstandsverlust. Noch ein Schritt und weg ist das Gehirn inklusive Gedanken. Noch wenige Sekunden Stille, dann ist man offiziell verrückt, weil sich die Wahrnehmung einfach mal so verschoben hat. Dann ist nur noch Abtransport und Anstalt gefragt, und wenn man dann klug ist, hat man lebenslänglich seine Ruhe. Spielt den Leuten da offiziell seinen Wahnsinn vor, der ist so echt wie Schmerz, der bleibt.
Roland aber öffnet aus Angst die Augen und sieht sein Handy zertreten am Boden kleben. Er rettet die Speicherkarte, fragt sich, wie spät es ist, und antwortet sich, dass es eigentlich schon zu spät sei. Der Markt hat den Menschen gefressen und Roland will nach Hause. Sagt genau das einem neben ihm stehenden bekannten Kapitaldealer, der dann sagt: "Is' gut Bruno, gute Besserung!" Roland geht raus.
Draußen ist fast wie drinnen, nur mit mehr Atmosphäre. Weitere Blicke gehen kaum wegen der Zugebautheit Frankfurt am Main. Blicke treffen Stresspeople, Betonwände, Bratwurstherren, Melonentittenfrauen. Zombies vereint im Geiste. Untote Schicksalsjongleure. Man kennt, grüßt und hasst sich. So auch hier draußen. Roland hat Ganzkörperschmerzen. Er denkt, dass ihm vielleicht ein Arzt helfen könnte und dass spätestens jetzt der Zeitpunkt dafür sei. Allgemeine Medizin. Weg von den Drogen, weg von den Nutten, raus aus der Emotionswüste, sich verlieben und bloß nicht krank sterben. So denkt der Roland und an ihm vorbei zieht ein Leben, das nicht das seine ist, aber er hat es gelebt. Am liebsten schnell ein Arzt für ihn. Oder doch nur ein Dealer? Kokain? Jetzt? Um noch schneller zu sterben? Roland antwortet darauf mit eindeutiger Verwirrung. Erst mal weg hier, denkt er aber ganz konkret und
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