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Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition)

Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition)

Titel: Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacek Dehnel
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brüllenden Menge der Schlag trifft, der sollte sich eher mit Galanteriewaren befassen – er sollte Tapeten bemalen, Fächer mit kleinen Szenen verzieren und Infantinnen unterrichten. Ein Künstler braucht kein Riechsalz.
    Und da erinnerte ich mich an ihre Mutter: an diese vitale Frau mit der schmalen Taille, die viel und laut lachte, die meinen Vater in den Zirkus und zu anderen Vergnügungen mitnahm; wie sie kämpfende Tiere betrachtete, mit welcher Gier sie Berge von Essen verschlang … Und ich dachte: Wurde dieses kleine Mädchen, wurde das Marienkäferchen, genau wie ich, Tag für Tag gefressen, verschlungen, zerfetzt? War das Bett in Bordeaux das Bett zweier Raubtiere, zweier Fleischfresser, Kinderfresser, die einander wie Tiere gewittert haben, die sich glichen wie ein Ei dem anderen und einander sagten: »Ich kenne dein schreckliches Geheimnis«?

Mariano spricht
    Vater lebt wie die Made im Speck vom Verkauf von Großvaters Bildern – aber ich weiß genau, dass er sorgfältig abwägt, was er verkaufen kann und was sich noch in der Werkstatt zu behalten lohnt, an den Wänden des Hauses in Madrid oder in der Quinta del Sordo; er hat den ganzen Katalog der Zeichnungen, Radierungen und Bilder im Kopf und kann innerhalb von Sekunden ihren Wert schätzen, Jahr und Ort der Entstehung nennen und manchmal eine witzige Anekdote zum Besten geben, von einem Hahn, den die Köchin aus einem Stilleben geklaut und in den Topf geworfen hat oder von einem ungeduldigen Modell.
    Und ich habe da so meinen Verdacht – ich weiß zum Beispiel, dass Vater den Sohn des Zimmermädchens ständig in den Laden von Ezquerra schickt, wo Großvater seinerzeit Pinsel, Farben und Leim gekauft hat, und dass Ezquerra ihm immer wieder Pakete liefert, die – als wäre das ganz normal – hinter der Tür der Werkstatt verschwinden.
    Etwa vor zwei Monaten habe ich mich auf den Weg nach Manzanares gemacht, um Manuel, der mit uns Trios spielt, den alten Flügel zu zeigen, der im Haus des Tauben steht; ich war mindestens zwei Jahre lang nicht mehr dort gewesen, wenn nicht vier, und wenn auch Felipes beschränkter Sohn sich um das Haus kümmert, so hinterlässt die Zeit doch ihre Spuren; das Dach hat Ziegel verloren, auf dem Putz sind große Flecken, wie auf der Landkarte einer fremden Welt, an Türen und Fenstern blättert die Farbe ab, und die Triebe der Kletterpflanzen lassen langsam, aber beständig die Wände zerbröseln. Im alten Teil, den ich nur kurz betrat, weil er jeden Moment einstürzen könnte, sind jede Menge Risse in den Mauern und morsche Balken in der Decke; die große Treppe wirkt immer noch monumental, aber ein Haus, in dem niemand wohnt, verrottet von innen her, verfilzt, verwandelt sich unmerklich in Staub. Die Möbel sind alt geworden, die Tapeten unmodern, der Flügel ist verstimmt, und ich muss mich entscheiden, ob ich jemanden zum Stimmen hinschicken oder das Instrument in die Stadt bringen lassen soll, um es hier wieder herzurichten; Concepción träumt nämlich in letzter Zeit von Konzerten für zwei Flügel, und da es ihr nicht so gut geht, möchte ich ihr eine kleine Freude machen. Nur das Geschmier von Vater sieht genauso hässlich aus wie eh und je. Der arme Manuel, dessen Vater Wagner war und der um jeden Preis als Kunstkenner dastehen und gebildet wirken will, war ebenso begeistert von dem Pfusch im Musikzimmer wie von Großvaters Meisterwerken, die im Treppenhaus hängen; ich ließ mir nichts anmerken, aber später, als ich wieder zu Hause war, lachten Concepción und ich herzlich darüber.
    Erst in der Nacht, als ich im Bett lag, ihren unruhigen, schweren Atem hörte und mich von einer Seite auf die andere wälzte, kam mir die Idee zu einer gewissen Transaktion, die mir einiges einbringen könnte.

Javier spricht
    Die Dämmerung bricht an, und es ist Zeit, sich zu bekennen. Zu allem. Ja, es stimmt, meinen Namen, Vornamen und meine Adresse konnte man in englischen Reiseführern über Spanien finden, und ja, da stand, ich sei bereit, Werke des Alten aus »der außergewöhnlichen Privatsammlung« zu zeigen. Auch stand da, ich ließe mich »nach kurzem Verhandeln« dazu überreden, das eine oder andere zu verkaufen; diese Bemerkung kostete mich zwei kleine Zeichnungen, die entweder immer noch bei diesem selbstgefälligen, aufgedunsenen englischen Schreiberling hängen oder schon längst für viele Guineas in der Sammlung eines ebenso selbstgefälligen und aufgedunsenen, an Gicht leidenden Lords gelandet sind.
    Ja, es

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