Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition)
stimmt, ich liebte diese Gäste, diese Art von Gästen; manchmal waren sie so dumm, dass sie, wenn sie – vom Dienstmädchen angekündigt – mein Arbeitszimmer betraten, noch den Reiseführer in der Hand hielten, mit dem Finger auf Seite 158, auf der es hieß, dem naiven Javier Goya könne man für wenig Geld Meisterwerke abkaufen. Ja, es stimmt, ich habe diese Methode bis in die kleinsten Einzelheiten ausgefeilt, und sie hat immer funktioniert – die Kunden waren einander so ähnlich, dass sie einfach funktionieren musste . Immer behandelten sie mich mit dieser Mischung aus geheuchelter Achtung und Überheblichkeit, die solche Schlauberger an sich haben gegenüber Leuten, die sie übers Ohr zu hauen gedenken. Sie versicherten mir, sie seien nur nach Madrid gekommen, um die Werke des »großen Goya« zu sehen (kaum einer sprach unsere Sprache, fast immer waren sie von einem Dolmetscher begleitet, also musste ich einmal auf Englisch und ein zweites Mal auf Spanisch vom »großen Goya« hören, es ödete mich an, jedes Kompliment, jede Schmeichelei zweimal), und ich zierte mich, das seien nur noch die Reste der Sammlung, ich hätte fast alles schon verkauft, die wertvollsten Stücke hätten »berühmte Herren, darunter viele Engländer« gekauft, wenn es gerade ein Engländer war. Denn es kamen auch Franzosen, sogar zwei Deutsche. Sie drängten und drängten, schließlich seien sie nicht gekommen, um mit leeren Händen von dannen zu gehen, also führte ich sie letztendlich mit immer dem gleichen schweren Seufzer in die Werkstatt. Dem Dienstmädchen hatte ich unter Androhung der Entlassung untersagt, dort aufzuräumen – ich hegte und pflegte den Staub und die Unordnung, die Becher mit den Pinseln, deren Haare sich spreizten und gabelten unter der eingetrockneten Farbe; dank dessen hatten die Besucher den Eindruck, sie würden ein vergessenes Sanktuarium der Kunst betreten. Sie schauten sich um, und in ihrem Blick war keine Bewunderung mehr zu lesen, nur noch Gier; ich sah, wie ihre Augen sich in runde Münzen verwandelten. Deshalb hatte ich keinerlei Skrupel.
Ja, es stimmt, ich bin es, der die meisten Bilder dieses alten Stinkstiefels Francisco Goya y Lucientes gemalt hat, die jetzt die Residenzen englischer Lords schmücken, vor denen die Kunstliebhaber stehen und vor Bewunderung mit der Zunge schnalzen. Es stimmt, ich habe die Zeichungen angefertigt, ich habe die Abende in dem kleinen Zimmer verbracht, hinter dem Schrank, wo auf altem Papier schwarzhaarige Majas entstanden, Hexen, Verurteilte in Gefängnissen, Verrückte. Ich bin es, der, ohne auch nur die geringste Unordnung zu machen, ohne nach links und rechts Farbe zu verspritzen, ohne mich aufzublasen, ohne Kerzen auf meinen Hut zu stecken, in aller Ruhe, gleichmäßig, in seinem eigenen Tempo für die Schlitzohren mit den Reiseführern, mit dem Finger auf Seite 158, die kostbaren Souvenirs aus Madrid produziert hat. Ich breitete die verstaubten Mappen vor ihnen aus, plagte mich mit der Schublade ab (»Ich habe sie seit fünf Jahren nicht mehr geöffnet!« – das war meine schauspielerische Glanzleistung), und dann stöhnte und jammerte ich, klagte über die Armut und nannte einen Preis, der vielleicht etwas überzogen wirkte, aber dennoch in keinem Verhältnis stand zu dem Privileg, das ihnen zuteilwerden würde, wenn sie das gerahmte Bild erst an einem Ehrenplatz im Salon aufgehängt hätten und stolz verkünden könnten: »Dieses unscheinbare Blatt, dieses kleine Bildchen ist die Mitgift für meine Tochter. Goya. Ein echter Goya, bei uns noch nicht allzu bekannt, aber auf dem Kontinent ist er berühmt. Ich habe ihn für eine lächerliche Summe bei seinem dämlichen Sohn gekauft.«
Wenn ich mich verabschiedete, warf ich noch ein – das konnte ich mir nie verkneifen: »Wissen Sie, ich bin auch Maler«, und meinen wohlwollenden, dümmlichen Gesichtsausdruck beibehaltend, beobachtete ich, wie sie sich wanden und in den Antworten verhedderten: »Oh, das ist wundervoll! Wie schade, dass ich schon gehen muss!« – »Ich bin sicher, Ihre Bilder stehen denen Ihres Vaters in nichts nach! Aber leider wartet schon meine Kutsche!« Oder: »Mein Sohn ist auch Kaufmann!« Einer sagte mit diesem fürchterlichen Akzent: »Dann sind Sie ein Splitter von einem alten Stein.« – »Bei uns«, nickte ich, »sagt man, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Ja, ja, die alten Sprichwörter!«
Ich weiß nicht, warum ich es nicht früher sagen wollte. Nun, ich wollte eben
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