Saubere Verhältnisse
Latte höher legen. Mit der Zeit kannte ich die Leute. Sah, was sie so machten, was für ein Leben sie führten. Ich habe sie immer mehr beobachtet. Und wenn man einmal angefangen hat, ist es schwer, wieder aufzuhören. Ich habe jetzt ein Jahr Auszeit genommen. Ich habe in den letzten Jahren so viel gearbeitet, daß ich es mir verdient habe. Und ich kann es mir leisten, ich habe unverschämt gut verdient. Ich mache das jetzt ganztags, gewissermaßen. Finden Sie das verrückt?«
»Nein«, sagte Yvonne mit einem merkwürdigen Gefühl von Verwirrung und Scham.
»Aber bei diesem Haus habe ich Probleme.«
Er zeigte auf das Haus und legte die Stirn in Falten.
»Ich verstehe nicht richtig, was hier los ist. Sie sind zwei Mal die Woche hier, und da hat man den Eindruck, daß Sie nur putzen. Ich habe also angenommen, daß Sie eine Art … ja, Haushaltshilfe sind. Aber ich habe gemerkt, daß da noch etwas anderes ist. Daß Sie was mit dem Typ haben, der da wohnt. Oder irre ich mich?«
Yvonne lächelte ihn rätselhaft an.
»Darauf werde ich nicht antworten. Ferngläser sind vielleicht noch zugelassen, aber die Beobachteten zu befragen ist absolut geschummelt.«
Er sah sie nachdenklich an.
»Ja, da haben Sie recht. Aber ich kann doch fragen, wie Sie heißen?«
»Yvonne«, sagte sie.
»Magnus«, sagte der Mann. »Wir können doch du sagen, nicht?« Er erhob sich aus seinem Schneidersitz und streckte ihr die Hand hin.
Sie nahm sie, und als sie seinen festen, ernsthaften und freundlichen Blick erwiderte, wurde ihr klar, daß sie Yvonne gesagt hatte und nicht Nora.
»Und du könnest mir erklären, was das hier ist.«
Er zeigte auf die Kiesfläche und die Steine.
»Das ist ein japanischer Steingarten. Wenn man ihn betrachtet, findet das Unterbewußte ein Muster in dem, was das Auge als leer und sinnlos auffaßt«, zitierte sie Bernhard (der vermutlich Helena zitiert hatte).
»Aha?« sagte Magnus mit gerunzelter Stirn. »Ja, ich habe mich gefragt, was das ist. Ein merkwürdiger Ort. Aber auch nicht merkwürdiger als vieles andere. Man sieht wirklich viel, wenn man in die Gärten von Leuten kommt. Die Rückseite der Häuser ist das allerbeste.«
Natürlich, dachte Yvonne. Bestimmt war es so. Sie hatte ja immer nur die Vorderseite der Häuser gesehen.
»Das scheint ein spannendes Hobby zu sein«, sagte sie.
»Willst du eine Runde mitgehen?«
Der Vorschlag war überraschend und verlockend.
»Falls der da drin dich nicht vermißt.«
»Das glaube ich nicht.«
Wie immer nach ihren Sofastündchen mit angstableitendem Sex war Bernhard unmittelbar danach in einen schweren Schlaf gefallen, und sie wußte, daß er einige Stunden schlafen und den fehlenden Nachtschlaf nachholen würde.
»Ich zieh mich nur schnell an. Ich komme gleich wieder«, sagte sie.
Als sie zurückkam, hockte Magnus auf dem Boden und packte seine Sachen in den Rucksack. Über dem T-Shirt trug er jetzt eines weites, kariertes Flanellhemd.
»Kann ich meine Sachen hier lassen, was meinst du?« fragte er. »Es ist ein bißchen lästig, wenn man alles mit sich rumschleppen muß.«
»Ja, aber versteck sie gut. Bernhard schlief gerade noch, aber wenn er aufwacht und rausgeht, dann kommt er hierher in den Steingarten.«
Magnus stellte den Rucksack und den Schlafsack hinter den Felsen am Waldrand.
»Übernachtest du auch in den Gärten?« fragte Yvonne und zeigte auf den Schlafsack.
»Ja, vor ein paar Wochen habe ich damit angefangen. Ich suche mir eine gute und geschützte Stelle, und wenn es Nacht wird, rolle ich meinen Schlafsack aus und krieche hinein. Es ist ein tolles Gefühl, in einem fremden Garten zu schlafen. Man hat wunderbare Träume. Aber man muß beizeiten aufwachen, bevor jemand herauskommt und einen findet. Ein Hund zum Beispiel. Du hast keine Ahnung, wie viele Leute morgens nicht ordentlich mit dem Hund rausgehen. Sie machen nur die Terrassentür auf, lassen den Hund raus und rufen ihn, sobald er sein Geschäft gemacht hat. Die haben natürlich den Garten voller Hundescheiße, aber das ist ihnen egal. Die Hunde finden mich immer sofort und bellen und kommen her. Der Besitzer denkt, daß der Hund wegen einem Igel oder so bellt. Aber meistens sind sie zu bequem, selber rauszukommen und nachzuschauen. Ich muß ganz still liegenbleiben und die schnüffelnde Schnauze im Gesicht aushalten, bis der Hund aufgibt und wieder reingeht.«
»Du lebst ein spannendes Leben, Magnus.«
»Man hat so viel Spaß, wie man sich selber macht. Gehen wir. Bist
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