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Saubere Verhältnisse

Saubere Verhältnisse

Titel: Saubere Verhältnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ma2
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zwischen Haß und Liebe. Keine Lügen und keine Geheimniskrämerei. Gesund, Helena achtete auf ihren Körper. Sie bewegte sich, achtete darauf, was sie aß, und rauchte nicht. Sie trank auch fast keinen Alkohol. Ihr Vater war Alkoholiker gewesen, Schnaps widerte sie an. Sie hatte jedoch nichts dagegen, daß ich mal ein Glas Wein zum Essen trank oder einen Whisky, aber sie wurde immer besorgt, wenn sie den Eindruck hatte, daß ich betrunken war. Ich trank also sehr maßvoll, weil ich sie nicht beunruhigen wollte.
    Wir waren wirklich glücklich zusammen. Wir bekamen keine Kinder, aber ich glaube, wir haben beide nichts vermißt. Wir hatten so viel aneinander.«
    Er schaute Yvonne mit einem verlegenen Lächeln an und fügte hinzu.
    »Wir haben nur uns gebraucht.«
    Sie nickte verständnisvoll.
    Bernhard schwieg eine Weile und trank einen Schluck Kaffee.
    »Und dann kam eines Tages das neue Telefonbuch.«
    Er schüttelte den Kopf und seufzte.
    »So unglaublich normal und alltäglich. Es lag auf dem Boden unter dem Briefkasten, zwei dicke Bände, die zusammen eingeschweißt waren. Ich nahm sie hinein, machte sie auf und schaute nach, ob unsere Nummer richtig drinstand. Zufällig blieb ich bei einem alten Klassenkameraden hängen, den ich vor nicht allzu langer Zeit getroffen hatte. Ich erinnerte mich, daß er gesagt hatte, Karina sei in die Stadt gezogen. Und dann hatte ich die Idee, zu schauen, ob sie im Telefonbuch stand. Einfach so aus Spaß. Um zu sehen, wo sie wohnte.
    Ich fand sie. Ihr Name stand neben dem ihres Mannes, die Ehe hatte offenbar alle Stürme überstanden.
    Dann rief ich sie an. Nur um ein bißchen zu reden. Zu hören, wie es ihr so ging. Unsere Geschichte war ja so lange her. Eine Jugendliebe, über die man lachen konnte. Ich war seit Jahren glücklich verheiratet.
    Sie klang freudig überrascht, daß ich mich meldete. Sie wußte von meinem Sprung von der Brücke – jeder in der Gegend wußte es –, und es freute sie aufrichtig, daß ich bei einer neuen Frau die Liebe gefunden hatte. Aber sie hatte es ein bißchen eilig und konnte nicht lange reden. Ob wir uns nicht auf einen Kaffee in der Stadt treffen könnten und das Gespräch fortsetzen? Sie hatte im Gegensatz zu mir noch Kontakt zu unseren alten Freunden, und sie konnte jede Menge Tratsch erzählen.«
    »Und du bist hingegangen?« sagte Yvonne mit einem ironischen Unterton.
    Er nickte.
    »Ja, ich bin hingegangen und war überzeugt, etwas ganz Ungefährliches zu tun. Ich fand es so unwichtig, daß ich es Helena gar nicht erzählt habe. Wir waren ansonsten sehr offen zueinander. Ich war wie ein Ex-Raucher, der meint, er könnte mal nach einem guten Essen eine rauchen. Wie ein Alkoholiker, der nach vielen Jahren der Abstinenz ein kleines Glas Bier trinkt. Aber in der Welt der Abhängigen zählen keine Jahre und keine Mengen. Versuchst du es, dann bist du da, wo du aufgehört hast.«
    Er lächelte traurig.
    »Es dauerte vielleicht zehn Minuten. Wir schauten uns an, bemerkten Veränderungen und Zeichen des Alterns. Redeten höflich, wie zwei Fremde. Sie hatte noch ein Kind bekommen und arbeitete an der Rezeption eines großen Unternehmens. Und plötzlich sagte sie: ›Ich muß dich anfassen.‹ Und so direkt – ohne eine Einleitung, die uns vielleicht die Möglichkeit gegeben hätte, es zu bereuen und uns zurückzuziehen – von einer Sekunde zur nächsten war es wieder das alte Lied.«
    Bernhard machte eine hilflose Geste und seufzte, ehe er fortfuhr:
    »Wir trafen uns in Cafés und Restaurants in der Stadt und im Sommerhäuschen in Åsa. Wir ließen uns krank schreiben, um Zusammensein zu können. Einmal sind wir sogar verreist, über ein Wochenende nach Amsterdam.
    Ich war von Karina besessen, ich kann es nicht anders beschreiben. Ich liebte Helena, ich wußte, daß das, was ich ihr antat, unverzeihlich war und daß ich unsere Ehe aufs Spiel setzte.«
    »Sie müssen sehr verschieden gewesen sein, Helena und Karina«, schob Yvonne ein.
    »Wie Tag und Nacht.«
    »Karina war die Nacht und Helena der Tag?«
    »Ja, kann man so sagen. Helena war schön, liebevoll und kümmerte sich perfekt um unser gemeinsames Zuhause. Karina sah alltäglich aus und war schlampig mit ihrer Kleidung. Ihr BH war grau und noppig vom zu heißen Waschen, ihr Rocksaum hing schon mal runter, und sie lernte nie mit den hochhackigen Schuhen zu gehen, die sie in ihrem Job tragen mußte. Sie stakste herum wie ein Storch und zog sie aus, sobald es möglich war. Sie hielt sich

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