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Saubere Verhältnisse

Saubere Verhältnisse

Titel: Saubere Verhältnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ma2
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du mich verlassen willst.«
    »Ich bleibe noch ein bißchen. Ist das okay?« seufzte sie. Sie versuchte, ruhig und überzeugend zu klingen, obwohl ihre Lippen zitterten.
    »Versprichst du es?«
    Sie nickte, und sein Griff um ihre Arme lockerte sich. Sie rieb sich die Arme und verzog das Gesicht. Er lächelte sie an. Im nächsten Moment lief sie zur Haustüre. Aber er reagierte blitzschnell, und ehe sie dort war, stand er mit dem Rücken zur Tür vor ihr.
    »Du hast es versprochen!« schrie er empört. »Du hast versprochen zu bleiben. Und kaum lasse ich dich los, da willst du schon abhauen.«
    Die nackte, haarige Brust hob und senkte sich in zurückgehaltener Wut, die Schultern waren krampfhaft hochgezogen. Er erinnert an einen verletzten Wildschweineber, dachte Yvonne, kompakt, muskulös und rasend vor Schmerz. Die Pupillen waren geweitet und schwarz und gaben seinem Blick etwas Unmenschliches.
    Plötzlich fing sie vor Angst zu weinen an. Sie hatte das noch nie in ihrem Leben gemacht. Sie hatte aus Trauer, Freude, Wut oder Müdigkeit geweint. Aber noch nie aus Angst, und sie war überrascht, daß es so war. Es war ein verhaltenes, bebendes Weinen, wie von einem gejagten Tier, das tief unten in einer Höhle saß, und als sie sprechen wollte, kamen ihre Worte stoßweise und stotternd:
    »Du wirst doch verstehen … daß ich Angst vor dir habe … wenn du dich … so benimmst?«
    »Angst? Warum hast du Angst?« Er schaute sie aufrichtig erstaunt an. »Du hast doch keinen Grund, Angst zu haben!«
    Yvonne verstand plötzlich, was er meinte: daß ihre Angst nichts war im Vergleich mit seiner.
    Sie ließ das Schluchzen verebben und sagte dann mit neuer Stimme:
    »Geh zur Seite.«
    Sie hatte die gleiche bestimmte, aber dennoch positive und aufmunternde Stimme wie damals, als sie ihn bei seinem Angstanfall ins Krankenhaus gefahren hatte. Sie vermutete, daß auch Helena so mit ihm sprach.
    »Geh von der Tür weg, Bernhard. Und zwar sofort.«
    Er trat zur Seite. Sein Mund öffnete und schloß sich wie bei einem Fisch.
    »Aber Nora …«
    Sie drückte die Klinke herunter und war draußen. Sie lief die Treppe hinunter und auf die Straße. Der Regen traf sie ins Gesicht.
    »Nora! Warte!« hörte sie ihn rufen.
    Sie warf einen Blick über die Schultern zurück. Er stand immer noch auf der Treppe. Er folgte ihr nicht.
    Naß und zitternd lief sie in ihrer kurzärmeligen Bluse den Phloxweg entlang. Der Mantel hing bei Bernhard, und da hing er gut. Es war Nora Bricks Mantel, und sie würde ihn nicht holen, denn Nora Brick gab es nicht mehr.
    Sie startete das Auto und fuhr aus dem Vorort heraus. Jetzt war sie endlich fertig.
    Sie hatte nur noch eine Sache zu erledigen. Aber nicht hier, sondern an einem ganz anderen Ort.

26
    Yvonne hatte versucht, sich ein Bild zu machen von dem Raum, in dem sie sich treffen würden: kahle Wände, Leuchtröhren, Möbel mit Flecken und Brandlöchern von Zigaretten, Gitter vor den Fenstern. So stellte sie sich das Besuchszimmer eines Gefängnisses vor.
    Aber die Wärterin, die sie begleitete, schloß die Tür zu einer Art Konferenzzimmer auf: hell und frisch, ein großer Birkenholztisch mit gepolsterten Stühlen und einem hübschen, violetten Teppich.
    »Besuchszimmer sind so trist. Hier ist es angenehmer. Setzen Sie sich, Helena wird jeden Moment kommen.«
    Yvonne setzte sich mit dem Gesicht zur Tür an den großen Tisch und wartete.
    Es hätte nicht viel gefehlt, und sie wäre überhaupt nicht hereingelassen worden. Sie hatte sich als Nora Brick vorgestellt, als sie angerufen und ihren Besuch angemeldet hatte, und am Eingang wollte man natürlich ihren Ausweis sehen. Ruhig und beherrscht hatte sie ihre Brieftasche herausgeholt, mit steigender Nervosität alle Fächer durchsucht und schließlich hervorgestoßen, daß sie ihren Ausweis in einem Geschäft liegengelassen haben mußte, wo sie mit ihrer VISA-Karte bezahlt hatte. Mit Tränen der Enttäuschung in den Augen hatte sie erzählt, daß sie für diesen Besuch den ganzen weiten Weg von Göteborg hergefahren sei und nun unverrichteter Dinge wieder zurückfahren müsse.
    Der Wärter betrachtete ihr unglückliches Gesicht, ihr sandfarbenes Business-Kostüm und den blendend weißen, leicht hochgeschlagenen Blusenkragen. Er nickte diskret in Richtung der verschlossenen Tür, als ob dieser Regelverstoß ein Geheimnis zwischen ihnen beiden sei, sie hörte ein Knacken und konnte eintreten. Ihre Tasche hatte sie abgeben müssen, und sie hoffte, daß niemand

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