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Saukalt

Saukalt

Titel: Saukalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Feifar
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angezuckert und wirkte trotzdem irgendwie trostlos. Vielleicht
kennst du das ja, wenn alles grau in grau ist und du fast Depressionen
bekommst, wenn du zum Fenster hinausschaust. So nah am Eisernen Vorhang wurde
dieser Eindruck noch verstärkt. Vielleicht hätte auf der Ortstafel anstelle des
Namens so etwas wie ›Willkommen am Anus Mundi‹ stehen sollen. Weil so viel Ruhe
und noch viel mehr Gegend, kombiniert mit sehr wenigen Menschen, das musst du
schon gewohnt sein, um es zu ertragen. An Tagen wie diesen bestätigte sich der
Ausspruch, dass Stille ganz schön laut werden kann, in Tratschen jedenfalls. Es
war die Zeit, in der auch der Strobel Poldi so etwas wie Heimweh nach Salzburg
spürte. Den Rest des Jahres war es nicht schlimm. Aber der Winter und überhaupt
die Adventzeit ließen ihn dann doch ein bisschen wehmütig werden. Ihm fehlte
der Anblick der schneebedeckten Berge. Ich meine, es kann schon schön sein,
wenn kein Hindernis deinen Blick aufhält und du in die Ferne schauen kannst, so
weit das Auge reicht. So ist das ja nicht.
    Andererseits
hat aber auch der Wind weit und breit kein Hindernis, das ihn aufhält und er
kann ungehindert wehen, wie es ihm Spaß macht. In Tratschen war es der Ostwind,
der in der Landschaft sein Unwesen trieb. Und genau dieser Ostwind war es auch,
der jeden Tag noch viel kälter wirken ließ als er tatsächlich war. Stellenweise
brauste er so heftig durchs Gelände, dass sich der Schnee auf der Straße über
einen Meter hoch ansammelte. Das konnte ganz schön gefährlich werden. Überhaupt
dann, wenn die Straßen ansonsten schneefrei waren. Stell dir vor, du fährst so
dahin, weit und breit kein Schnee, und dann kommst du um eine Kurve, und da ist
alles weiß. Über einen Meter hoch. Eine Überraschung, die du als Autofahrer
nicht brauchst. Aber wie dem auch sei. Ich will mich gar nicht lange mit der
Schilderung vom Wetter aufhalten. Kalt ist es gewesen, und der Strobel war
heilfroh, dass er nicht raus musste. Punkt. Zusammen mit dem Schulz Bertram
verschanzte er sich auf der Dienststelle und ließ den Nachmittag bei einer
Tasse Tee ausklingen. Zu tun war logischerweise nichts. Weil keine Leute auf
der Straße bedeuteten auch wenig bis keine Arbeit für die Gendarmerie. Deshalb
hockte der Strobel eben mit den Füßen auf dem Schreibtisch drinnen und sah dem
Berti zu, der gerade dabei war, Holz in den kleinen Kanonenofen zu schieben.
Seit den Vorkommnissen im Sommer waren die zwei deutlich näher zusammengerückt.
Ich meine, nicht, dass du jetzt glaubst, dass sie sich vorher nicht vertragen
hätten. Aber seit damals hatten sie viel mehr Zeit damit verbracht, sich besser
kennenzulernen. Vor diesem Sommer waren sie Kollegen. Jetzt waren sie fast so
etwas wie dienstlich zugewiesene Freunde. Der Strobel und der Berti hatten
lange und auch sehr oft miteinander geredet, seit die Sache mit dem Adami Leo
passiert war. Weil das Schicksal ihres ehemaligen Kollegen ging ihnen schon
nahe. Keiner von ihnen wollte recht glauben, dass der Bursche sich wirklich
hatte bestechen lassen und den Mördern vom Höllerer beim Verwischen ihrer
Spuren helfen wollte. Dieser Teil der Geschichte machte ihnen nämlich besonders
zu schaffen. Dass der Leo dann in Amerika ein schreckliches Ende gefunden
hatte, bedauerten sie zwar sehr, aber der Verrat an ihnen und der Gerechtigkeit
schockierte sie viel mehr. Seine Strafe hatte er jedenfalls dafür bekommen, der
Leo. Mausetot, mit einem Einschussloch im Bauch und ausgeraubt hatte man ihn
gefunden. Schon eine Ironie des Schicksals, dass ihm ausgerechnet das
Bestechungsgeld zum Verhängnis geworden war. Aber was soll ich sagen? So ist es
nun einmal gewesen. Wie auch immer. Der Strobel und der Berti hatten aus diesen
Vorfällen jedenfalls etwas gelernt und sich in den darauffolgenden Wochen
eingehend unterhalten und ihre Lebensgeschichten ausgetauscht. Na ja, was man
halt so redet, wenn man dabei ist, sich kennen zu lernen. Und siehst du, auf
einmal war es beiden viel angenehmer, wenn sie zusammen Dienst machten. Vor
einem Monat war schließlich der Ersatz für den Leo gekommen. Ein junger
Bursche, frisch von der Ausbildung. Pfaffenberger Jürgen hieß er und stammte
aus Haugsdorf, das acht Kilometer von Tratschen entfernt war. Es dauerte keine
zwei Tage, bis dem Strobel der Name Pfaffenberger viel zu lang wurde und er
kurzerhand nur mehr ›Pfaffi‹ zu seinem neuen Mitarbeiter sagte. Jürgen als
Anrede kam ihm nach so kurzer Zeit noch viel zu persönlich vor.

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