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Saukalt

Saukalt

Titel: Saukalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Feifar
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Priester
redete aber auch von Übergriffen, die seiner Meinung nach nur durch den Zölibat
und die Keuschheit erst zustande kommen würden. Genauer äußerte er sich dazu
aber nicht, weil das auch in den Siebzigern schon ein sehr heißes Eisen war.
Ich meine, für die damalige Zeit war das eine ganz schön mutige Aussage vom
Römer. Du musst ja als Pfarrer sogar heutzutage noch aufpassen, was du zu
diesem Thema sagst und was nicht. Aber damals war das noch viel heikler. Frage
nicht, was das für einen Skandal gegeben hätte, wenn die Ansichten des
Priesters und vor allem seine Andeutungen in Bezug auf sexuelle Übergriffe an
die Öffentlichkeit gedrungen wären. Immerhin waren die Menschen damals noch
viel katholischer als heute. Besonders witzig fand der Strobel aber die Art, wie
der Herr Pfarrer das Fehlen einer Köchin im Pfarrhaus erklärte. Dazu sagte er
nämlich, dass er absichtlich keine habe, weil er mit einem Weib im Haus sehr
wahrscheinlich dem Dämon der Fleischeslust anheimfallen würde. Worin er aber
nicht das eigentliche Problem sah. Viel mehr meinte er, dass es dann sicher mit
seiner Ruhe vorbei wäre, wenn er seine Köchin zur Geliebten mache, weil es
unter Paaren eben viel zu viele Gründe für Streitigkeiten gebe. Die holde
Weiblichkeit, so sagte er, würde im Zorn selbst vor einem Priester nicht Halt
machen, und darauf könne er gut und gerne verzichten. Eine Aussage, die dem
Strobel gut gefiel, weil sie ehrlich war. Der Römer versuchte gar nicht erst
ihm vorzumachen, dass er auch nur im Entferntesten gewillt war, ein Leben ohne
Sex zu führen. Vielleicht denkst du jetzt, dass der Strobel eigentlich den
Moralapostel spielen und sich darüber hätte aufregen müssen. Hat er aber nun
einmal nicht gemacht. Er fand es gut. Genau wie eine Aussage, die der Römer zur
Rolle der Kirche in den letzten Jahrhunderten machte. Dazu kam es, weil sich
der Strobel einmal dazu hinreißen ließ, über die kirchliche Vergangenheit zu
reden. Genauer gesagt, über das Bekehren von Völkern, über Raubrittertum, die
Herkunft der Kirchenschätze und so. Auch da suchte der Römer nicht lange nach
Ausreden, sondern antwortete mit einem Augenzwinkern: »Weißt du Strobel«, sagte
er, »unser Herrgott scheint einen sehr schwarzen Humor zu haben. Wie sonst kann
man sich erklären, dass er seine Vertreter auf Erden tatsächlich unter uns
Menschen gesucht hat und unserem Treiben schon so lange zuschaut, ohne mit dem
großen Hammer drauf zu hauen?«
    Da hat
der Strobel dreingeschaut wie der sprichwörtliche Maikäfer, wenn es blitzt.
Weil mit so einer Antwort hätte er im Leben nicht gerechnet. Schon gar nicht
von einem Pfarrer. Noch dazu nahm ihm Hochwürden mit solchen Antworten
natürlich auch den Wind für weitere Angriffe aus den Segeln. Was also blieb dem
Postenkommandanten anderes übrig, als diesen Mann zu mögen? Und weil er ihn
mochte, konnte er mit ihm auch so gut über den Verlust seiner Frau und seiner
Tochter, die vor zehn Jahren bei einem Bootsunfall ertrunken waren, reden. Weil
der Pfarrer Römer erklärte ihm nicht, dass das Gottes Wille war, den zu
verstehen er erst im Paradies fähig sein würde. Genau Sprüche dieser Art waren
es nämlich, die den Strobel in der Vergangenheit wütend gemacht hatten. Zwar
war auch er katholisch erzogen worden, hatte aber trotzdem so sein Problem mit
dem Göttlichen. Man könnte auch sagen, dass der Funke nicht so recht auf ihn
übergesprungen war. Vielleicht kam das daher, weil er schon als Kind nicht
hatte verstehen können, wie ein Vater seinen eigenen Sohn so grausam opfern
konnte, wie Gott es getan hatte. Schon in der zweiten oder dritten Klasse Volksschule
kam Klein Strobel zu der Erkenntnis, dass er mit dem Jesus nicht den Vater
hätte tauschen wollen, weil er Gott, gelinde ausgedrückt, für nicht sehr nett
hielt. Außerdem fragte er sich, wie der Mann seinen Sohn wohl dazu überredet
hatte, sich ans Kreuz nageln zu lassen. Hatte er ihn angelogen und gesagt, dass
die Sache mit den Nägeln nicht weh tut? Und nicht zuletzt hatte ihn auch noch
die Frage beschäftigt, ob Jesus sich in den letzten Jahrhunderten nicht
verarscht vorgekommen war, als er sehen musste, wofür er das mit sich hatte
machen lassen? Weil sollte die Menschheit aus seinem Opfer wirklich was gelernt
haben, dann war davon nicht viel zu sehen. Zumindest war das die Überzeugung
vom Strobel. Letztendlich führte ihn das zu der Annahme, dass Gott nach diesem
ersten Versuch, uns Menschen etwas zu

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