Scarpetta Factor - Thriller
hatte, konnte er nicht mehr aufhören. Er spielte mit der Maus und quälte sie bis kurz vor dem Tode, ehe er ihr endgültig den letzten Stoß versetzte. Dodie war weder kreativ noch erfahren, verrückt oder intelligent genug, um sich so einen ausgeklügelten und schlauen Plan auszudenken. Allerdingswar sie theatralisch veranlagt und ein Borderline-Fall und deshalb bereit und in der Lage, mitzuspielen.
Irgendwann hatte Dodie Hodge sich mit dem organisierten Verbrechen zusammengetan. Ebenso wie Warner Agee, der offenbar für einige unethische Forschungsprojekte im Auftrag der amerikanischen und internationalen Glücksspielindustrie verantwortlich zeichnete. Ein paar dieser Studien hatten im Ausland, insbesondere in Frankreich, stattgefunden. Benton war sicher, dass Agee und Dodie Fußtruppen der Familie Chandonne und an das gefährlichste Mitglied dieses Clans geraten waren. Den perversen und gewalttätigen überlebenden Sohn Jean-Baptiste, der bei einem Bankraub letzten Monat in Miami seine DNA auf dem Rücksitz eines schwarzen Mercedes, Baujahr 1991, zurückgelassen hatte. Warum er in dem Auto gewesen war, blieb unklar. Vielleicht aus reiner Abenteuerlust. Die Erklärung konnte auch einfach lauten, dass er sich vor dem Einsatz des Wagens als Fluchtfahrzeug aus unbekannten Gründen in dem gestohlenen Mercedes hatte chauffieren lassen. Sicher wusste Jean-Baptiste, dass sich seine DNA in CODIS, der Datenbank des FBI, befand. Schließlich war er ein verurteilter Mörder und auf der Flucht vor dem Gesetz. Anscheinend wurde er allmählich leichtsinnig und gehorchte wieder seinen Trieben. Wenn man seine Vergangenheit in Betracht zog, waren vermutlich auch Alkohol- und Drogenmissbrauch im Spiel.
Drei Tage nach dem Überfall in Miami hatte erneut ein Bankraub stattgefunden, der letzte der seitdem neunzehn, diesmal in Detroit. Zufällig ereignete er sich an demselben Tag, als Dodie dort wegen Ladendiebstahls und Erregung öffentlichen Ärgernisses festgenommen worden war, nachdem sie drei DVDs von Hap Judd in ihre Hose gestopft und anschließend eine Szene gemacht hatte. Sie war nicht mehr zu bändigen gewesen. Bei einer Person mit ihrem Krankheitsbild war es nur eine Frage der Zeit, wann sie wieder einen Schub erleiden, dieBeherrschung verlieren und zu toben anfangen würde wie in Betty’s Bookstore Café. Es war ein schwerer Fehler zu einem ausgesprochen ungünstigen Zeitpunkt gewesen, weshalb gewisse Leute Dodie dringend aus dem Verkehr ziehen mussten, bevor sie noch Aufmerksamkeit auf Personen lenkte, die so etwas ganz und gar nicht gebrauchen konnten. Jemand hatte ihr einen Anwalt in Detroit besorgt, Sebastian Lafourche, gebürtig in Baton Rouge, Louisiana, wo die Chandonnes ausgezeichnete Beziehungen unterhielten.
Lafourche hatte vorgeschlagen, dass Warner Agee die Erstuntersuchung von Dodie vornehmen sollte. Dabei hatte nicht Agees erst seit kurzem bestehender Prominentenstatus den Ausschlag gegeben, sondern sein, wenn auch nur oberflächlicher, Kontakt zum organisierten Verbrechen und zum Netzwerk der Chandonnes. Es war, als überantwortete man einen Gangster der Obhut eines Gefängnisdirektors, der seinerseits auf der Gehaltsliste der Mafia stand. Doch der Plan war nicht aufgegangen, da die Staatsanwaltschaft und das McLean Hospital nicht mitgespielt hatten. Also hatte das Netzwerk sich etwas Neues einfallen lassen und die Gelegenheit genutzt, um Chaos und Verwirrung zu stiften. Dodie war nach Belmont gebracht worden, das Stichwort für den nächsten Akt. Nun hatte sich der Feind ins Lager der Zielperson eingeschlichen, bei Benton und dadurch indirekt auch bei Scarpetta. Dodie wurde stationär aufgenommen und hatte so die Möglichkeit, Benton auf die Pelle zu rücken. Unterdessen gingen die Schikanen und Quälereien weiter, während im aus dem Mittelalter stammenden Familiensitz der Chandonnes das Gelächter zu den Deckenbalken hinaufstieg.
Benton blickte Marty Lanier an, die ihm am Tisch gegenübersaß. »Ist Ihr neues Computersystem in der Lage, Daten auf die gleiche Weise zu verknüpfen wie das RTCC?«, fragte er. »Liefert es uns eine Graphik wie einen Entscheidungsbaum,damit wir die verschiedenen Möglichkeiten gegeneinander abwägen und sehen können, worüber wir reden? Meiner Ansicht nach würde die Sache dadurch vereinfacht. Die Wurzeln sind tief, die Äste verschlungen und ziemlich ausladend. Deshalb ist es unverzichtbar, das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen. Wollen Sie ein Beispiel hören? Nehmen
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