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Scarpetta Factor

Scarpetta Factor

Titel: Scarpetta Factor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Daniels Cornwell
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Treppe. Oder man geht nach rechts, passiert den Wäscheraum, den Werkzeugschrank, die Heizanlage und einen Lagerraum und nimmt die andere Treppe. Ein Stockwerk höher, und man steht keine zwei Meter von Tonis Wohnungstür entfernt. Falls jemand in dieser Wohnung war und aus irgendeinem Grund einen Schlüssel hatte, hätten die Nachbarn ihn nicht unbedingt sehen müssen. Wie lange sitzen Sie jetzt schon hier?«
    »Seit zwei. Wie ich schon sagte, war davor ein anderer Kollege da. Ich glaube, sie haben nach Auffinden der Leiche sofort jemanden geschickt.«
    »Ja, ich weiß. Das hat Berger veranlasst. Wie vielen Personen – ich meine, Nachbarn – sind Sie begegnet?«
    »Seit ich hier bin? Keiner Menschenseele.«
    »Haben Sie gehört, dass in irgendeiner Wohnung Wasser lief? Schritte oder andere Geräusche?«, fragte Marino.
    »Von hier an der Treppe aus oder während ich in der Wohnung war? Es war ziemlich ruhig. Allerdings bin ich ja erst« – er schaute auf die Uhr – »vor etwa zwei Stunden gekommen.«
    Marino steckte die Taschenlampe wieder ein. »Um diese Tageszeit ist niemand zu Hause. Ein Gebäude wie dieses eignet sich nämlich nicht für Rentner oder Menschen, die an die Wohnung gefesselt sind. Erstens gibt es keinen Aufzug, was einen großen Nachteil bedeutet, wenn man alt, behindert oder krank ist. Außerdem unterliegt das Haus nicht der Mietpreisbindung und ist nicht im Besitz einer Genossenschaft. Die Nachbarn haben kaum Kontakt, und es gibt keine langjährigen Mieter. Die meisten bleiben nur ein paar Jahre. Viele Alleinstehende und kinderlose Ehepaare. Durchschnittsalter zwischen zwanzig und dreißig. Insgesamt sind es vierzig Wohnungen, von denen acht derzeit leerstehen. Ich habe den Verdacht, dass die Immobilienmakler dem Hausmeister nicht gerade die Bude einrennen. Der Grund für den Leerstand ist wohl die miese Wirtschaftslage, denn die Mieter sind alle innerhalb der letzten sechs Monate ausgezogen.«
    »Woher zum Teufel wissen Sie das alles? Sind Sie Hellseher?«
    Marino nahm ein zusammengefaltetes Papierbündel aus der Tasche. »RTCC – der Zentralcomputer der Polizei. Ich habe eine Liste aller Hausbewohner: wie sie heißen, was sie von Beruf sind, ob sie je eingesessen haben, wo sie arbeiten, wo sie einkaufen, was für ein Auto sie fahren und, wenn überhaupt, wen sie vögeln.«
    »Ich war noch nie dort.« Damit meinte er das Real Time Crime Center, das Marino für sich als Kommandobrücke von Raumschiff Enterprise bezeichnete. Die Abteilung in der Polizeizentrale mit der Adresse One Police Plaza steuerte praktisch alle Hightech-Operationen des New York Police Department.
    »Keine Haustiere«, fügte Marino hinzu.
    »Was haben Haustiere denn damit zu tun?« Mellnik gähnte. »Seit sie mich auf Spätschicht gesetzt haben, bin ich völlig fertig und kann nicht mehr richtig pennen. Meine Freundin und ich sind wie Schiffe, die in der Nacht aneinander vorbeifahren.«
    »In Häusern, wo tagsüber kein Mensch da ist, kann niemand einen Hund Gassi führen«, sprach Marino weiter. »Die Mieten hier fangen bei zwölfhundert an. Wer in diesem Haus wohnt, kann es sich nicht leisten, jemanden dafür zu bezahlen, dass er seinen Hund ausführt, und hat auch gar kein Interesse daran. Außerdem bringt es mich zu meinem ursprünglichen Thema zurück. Alles ist wie ausgestorben. Kein Mensch hört oder sieht etwas. Wenigstens nicht tagsüber, wie ich bereits sagte. Wenn ich also etwas im Schilde führen und in die Wohnung eindringen wollte, würde ich es um diese Zeit tun. Und zwar, ohne mich zu verstecken, denn während es auf der Straße und auf dem Gehweg von Leuten nur so wimmelt, ist das Haus menschenleer. «
    »Darf ich Sie daran erinnern, dass sie nicht hier überfallen wurde«, wandte Mellnik ein. »Sie wurde beim Joggen im Park ermordet.«
    »Versuchen Sie, Bonnell zu erreichen. Das schult die ermittlerischen Fähigkeiten. Vielleicht werden Sie ja Dick Tracy, wenn Sie groß sind.«
    Marino kehrte in die Wohnung zurück und ließ die Tür offen. Toni Darien hatte gelebt wie viele, die vor kurzem von zu Hause ausgezogen sind. Es war ein winziger Raum, den Marino vollständig auszufüllen schien, als wäre die Welt um ihn herum plötzlich geschrumpft. Etwa fünfzehn Quadratmeter, schätzte er, nicht dass seine eigene Wohnung in Harlem viel größer gewesen wäre. Allerdings hatte er zumindest ein separates Schlafzimmer und musste nicht im Wohnzimmer übernachten. Außerdem gehörte ein kleiner Garten dazu,

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