Scarpetta Factor
Strauß. Marino überlegte, ob es sich dabei um Geschenke handelte, vielleicht von ihrer Mutter, wahrscheinlich nicht von einem Freund. Männer verschenkten normalerweise keine Stofftiere, außer sie waren schwul. Marino stupste den Pinguin mit dem behandschuhten Finger an, betrachtete das Etikett und musterte dann die an den anderen beiden Tiere. Gund . Er schrieb sich den Namen des Herstellers auf.
Neben dem Bett stand ein Nachttisch mit Schublade, die eine Nagelfeile, einige AA-Batterien, ein kleines Döschen Motrin und einige alte Taschenbücher, Kriminalschocker aus dem wahren Leben – 7he Jeffrey Dahmer Story: An American Nightmare und Ed Gein: Psycho . Marino notierte sich die Titel und blätterte jedes Buch durch, um festzustellen, ob Toni etwas hineingeschrieben hatte. Aber nichts. Zwischen den Seiten der Jeffrey Dahmer Story steckte eine Quittung, die das Datum 18. November 2006 trug, offenbar der Tag, an dem das Buch gekauft worden war, und zwar antiquarisch bei Moe’s Books in Berkeley, Kalifornien. Eine alleinlebende Frau, die solchen gruseligen Schund las? Vielleicht waren es ja Geschenke gewesen. Marino verstaute die Bücher in einem Asservatenbeutel. Er würde sie ins Labor bringen und auf Fingerabdrücke und DNA untersuchen lassen. Nur so ein Gefühl.
Links vom Bett befand sich der Wandschrank. Die Kleidung darin war schick und sexy: Leggings, lange, bunt gemusterte Pullover, tief ausgeschnittene bedruckte Oberteile, figurbetonende Sportsachen und einige eng anliegende Kleider. Marino kannte die Marken nicht, aber er war ja auch kein Fachmann in Modefragen – Baby Phat, Coogi, Kensie Girl. Auf dem Boden standen zehn Paar Schuhe, unter anderem Laufschuhe von Asics, wie sie sie bei ihrer Ermordung getragen hatte, und Lammfellstiefel von Uggs für winterliches Wetter.
Die gefaltete Bettwäsche war in einem oberen Regal gestapelt. Daneben stand ein Pappkarton, den Marino herunterholte, um einen Blick hineinzuwerfen. DVDs, Spielfilme, hauptsächlich Comedy und Action. Außerdem die Ocean’s Eleven -Serie, wieder das Glücksspielmotiv. Offenbar hatte sie George Clooney, Brad Pitt und Ben Stiller gemocht. Keine Gewaltfilme und nichts Angsteinflößendes wie die Bücher in ihrem Nachtkästchen. Möglicherweise hatte sie ja keine DVDs mehr gekauft, sondern sich die Filme, auch Horrorstreifen, falls sie darauf gestanden hatte, auf Kabel oder im Bezahlfernsehen angeschaut. Oder auf ihrem Laptop? Wo zum Teufel war ihr Laptop? Marino fotografierte und machte sich weitere Notizen.
Plötzlich fiel ihm auf, dass er bis jetzt noch keinen Wintermantel entdeckt hatte. Ein paar Windjacken, einen langen roten Wollmantel, der ziemlich altmodisch wirkte, vielleicht noch aus der High-School-Zeit oder ein abgelegtes Stück von ihrer Mutter – aber wo war der dicke Mantel, den man brauchte, wenn man an einem Tag wie heute in der Stadt herumlief? Ein Parka, eine Skijacke, irgendetwas, das mit Daunen gefüttert war. Außerdem gab es hier jede Menge Freizeit- und Sportbekleidung, Vliespullis und Jogginganzüge. Doch was trug sie zur Arbeit? Was zog sie an, wenn sie ausging, um etwas zu erledigen, zu essen oder bei wirklich kaltem Wetter zu trainieren? Auch an oder in der Umgebung ihrer Leiche war keine Winterjacke gefunden worden. Sie hatte nur einen Vliespulli getragen, was Marino angesichts des schauderhaften Wetters gestern Abend merkwürdig vorkam.
Er betrat das Badezimmer und machte Licht. Ein weißes Waschbecken, eine weiße Badewanne mit Duschkopf, ein blauer, mit Fischen gemusterter Duschvorhang, eine weiße Badewanneneinlage. An den weiß gekachelten Wänden hinten einige Fotos, die sie ebenfalls beim Laufen zeigten, allerdings nicht bei demselben Wettkampf wie auf dem Foto im Vorraum. Sie hatte verschiedene Startnummern auf der Brust, musste also an diversen Rennen teilgenommen haben. Offenbar war es ihre große Leidenschaft gewesen. Das und Parfüms. Auf der Ablage standen sechs Flakons, alles Designermarken. Fendi, Giorgio Armani, Escada. Er fragte sich, ob sie sie in einem Discountladen gekauft oder mit siebzig Prozent Rabatt im Internet bestellt hatte. So hatte er nämlich vor einem Monat, ein wenig verfrüht, seine Weihnachtseinkäufe erledigt.
Nur dass er es inzwischen nicht mehr für eine gute Idee hielt, Georgia Bacardi ein Parfüm namens Trouble – Ärger – zu schenken, das er für einundzwanzig Dollar zehn, ein gewaltiger Preisnachlass, ergattert hatte, weil die Verpackung fehlte. Als er bei
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