Scarpetta Factor
verspottet werden, und außerdem muss der Täter seine Gewohnheiten und das, was ihm wichtig ist, gut gekannt haben. Dodie Hodge mag die Chefberaterin gewesen sein, doch die zündende Idee, wenn Sie mir dieses Wortspiel verzeihen, stammt von Chandonne.«
»Ich würde mir zu gern einmal Dodie Hodges Haus in Edgewater selbst ansehen.« Stockman betrachtete etwas auf seinem Computerbildschirm und fing an, eine E-Mail zu tippen. »Hat sie ein Alkoholproblem? Überall sind Weinflaschen.«
»Wir müssen ins Haus.« O’Dell musterte ebenfalls Stockmans Bildschirm. »Um nach Notizen oder anderen Hinweisen darauf zu suchen, dass sie etwas mit den Bankrauben zu tun hat und wer sonst noch eingeweiht ist. Es ist zwar nett, dass die Jungs schon mal nachgeschaut haben, aber sie wissen nicht, was wir wissen.«
»Es ist viel dringender, dass wir Jean-Baptiste finden«, sagte Benton, da Polizei und FBI offenbar nach Dodie anstatt nach Chandonne fahndeten.
»Bis jetzt keine Notizen, nur ein paar Spielzeugpistolen«, meinte O’Dell zu Stockman, während Agents von der Einsatztruppe Bankraub Dodies Haus durchsuchten und die Informationen in Echtzeit elektronisch weiterleiteten. »Bingo!«, rief Stockman, nachdem er die Nachricht gelesen hatte. »Drogen. Anscheinend kokst Granny. Außerdem raucht sie. Hey, Benton, haben Sie Dodie je französische Zigaretten rauchen sehen? Gauloises? Schon gut, das habe ich jetzt sicher falsch ausgesprochen. Es könnte natürlich auch sein, dass jemand bei ihr wohnt«, fügte er hinzu, während er den Kollegen in Dodies Haus antwortete.
»Ich werde jetzt eine Weile nicht zuhören«, verkündete Benton.
Dieser Satz wirkte fast immer. Sobald die Anwesenden sich stritten, durcheinanderredeten, von der Tagesordnung abwichen und sich aufplusterten, kündigte Benton an, dass er ab jetzt nicht mehr zuhören werde, und alle verstummten.
»Ich erkläre Ihnen jetzt meinen Standpunkt und möchte Sie bitten, gut aufzupassen, weil Sie dann besser verstehen, was Sie zu sehen bekommen werden, wenn die Verbindungen an der Wand erscheinen«, begann er. »Wie weit sind wir mit dem Diagramm?«, fragte er spitz.
»Möchte jemand außer mir einen Kaffee?«, erkundigte sich O’Dell genervt. »Hier passiert mir zu viel auf einmal. Außerdem muss ich mal für kleine Jungs.«
20
Im siebten Stock des DNA-Gebäudes der Gerichtsmedizin standen Scarpetta, Lucy und Marino allein in einem Labor, das der Ausbildung zukünftiger Wissenschaftler diente. Hier wurden zwar keine Kriminalfälle untersucht, doch die Regeln für das Arbeiten in einem Reinraum galten trotzdem.
Die drei waren mit ihren Einweg-Schutzkitteln, Hauben, Überschuhen, Masken, Handschuhen und Schutzbrillen, die sie in einem Vorraum angezogen hatten, bis zur Unkenntlichkeit vermummt. Nach dem Umkleiden waren sie durch eine Luftschleuse in den sterilen Raum gegangen, der mit den neuesten Geräten – Hightech-Kram, wie Marino es nannte – ausgestattet war: Genom-Analysegeräte, Dampfsterilisator, Zentrifugen, Vortex-Mixer zur zellularen Diagnostik, Rotary Realtime Analyzer für die Genanalyse und Extraktionsroboter zur Handhabung großer Flüssigkeitsmengen wie zum Beispiel Blut. Marino lief unruhig hin und her, sodass seine Schutzkleidung raschelte wie Papier, zupfte an dem blauen Tyvek-Material und fummelte an Schutzbrille, Maske und Kopfbedeckung herum, die er als seine Duschhaube bezeichnete. Ständig musste er etwas zurechtrücken und beschwerte sich über die Verkleidung.
»Habt ihr schon mal versucht, eine Katze in Überschuhe zu stecken?« Seine Gesichtsmaske bewegte sich beim Sprechen. »Das Vieh würde wie wild herumspringen, um sie wieder loszuwerden. Und genau so fühle ich mich jetzt.«
»Ich habe als Kind weder Tiere gequält noch ins Bett gemacht«, entgegnete Lucy und griff nach einem winzigen USB-Kabel, das sie sterilisiert und eingewickelt hatte.
Vor ihr auf einer mit braunem Papier bedeckten Arbeitsfläche befanden sich zwei MacBooks, mit siebzigprozentigem Alkohol desinfiziert und in durchsichtiges Polypropylen eingehüllt, und der armbanduhrähnliche BioGraph, der am gestrigen Abend im Asservatenraum am Ende des Flurs auf DNA-Spuren überprüft worden war und nun berührt werden durfte. Lucy steckte das Kabel in den BioGraph und verband ihn mit einem der Laptops.
»Es ist, als stöpsle man einen iPod oder ein iPhone ein«, erklärte sie. »Eine Verbindung entsteht. Was haben wir denn da?«
Der Bildschirm wurde schwarz und forderte
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