Scary City, Band 1: Das Buch der Schattenflüche, Scary City 1 (German Edition)
heraus. Eigentlich wollte er gar nicht schreien. Er fühlte nicht mal echte Panik, stattdessen kribbelte es in seinem Bauch vor Aufregung. Doch dann drehte der Schattenpanther den Kopf in seine Richtung und das Böse, das von ihm ausstrahlte, traf Mats mit voller Wucht.
Er taumelte zurück und stolperte über etwas am Boden. Sofort rappelte er sich wieder auf und tastete sich durch sein dunkles Zimmer zum Bett vor. Die Decke zog er sich bis über die Nase, während er die nächsten Stunden stocksteif dalag und das Fenster gebannt im Blick hielt.
Die anderen
Mats tastete nach dem Wecker, um sein nervtötendes Geklingel abzustellen. Nun blinzelte er in das Sonnenlicht, das durch seinen Vorhang fiel. Schlagartig kehrte die Erinnerung an vergangene Nacht zurück. Er fuhr hoch und der Comic, der die ganze Zeit über auf seinem Bett gelegen hatte, segelte zu Boden.
Mats starrte ihn an und ein verschämtes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Natürlich gab es keine fliegenden Augen oder Schattenpanther. Er hatte es bloß geträumt. So, wie er manchmal von Zombies oder Werwölfen träumte, wenn er wieder zu tief in eines von Mad Jacks verrückten Abenteuern abgetaucht war. Dieses Mal hatte der Traum eben nur besonders realistisch gewirkt. Er stand auf, riss den Vorhang auf und verschwand im Bad.
Sobald Mats sich angezogen hatte, verließ er die Wohnung, die er zusammen mit seinen Eltern im obersten Stockwerk des Hotels bewohnte. Und weil er keine Aufzüge mochte, benutzte er die Treppe. Sie war mit einem weichen dunkelroten Teppich ausgelegt, der unter seinen Schritten federte. In regelmäßigen Abständen sorgten Kristallleuchter für ein warmes Licht. Die Gäste, die im Greifenhall abstiegen, waren stinkreich. Aus diesem Grund kümmerten Mats’ Eltern sich meistens persönlich um die vielen kleinen und großen Wünsche ihrer Gäste. Vermutlich waren sie schon wieder seit Stunden auf den Beinen.
Als Mats in den ersten Stock kam, blieb er stehen. Der rechte Korridor war nur schwach erhellt, weil man die Leuchter auf Wunsch des neuen Gastes gedimmt hatte. Ein mysteriöser Typ, der gestern angereist war und alle Suiten auf dem Gang gebucht hatte, obwohl er nur eine einzige bewohnte: die Nummer dreizehn. Normalerweise gab es in einem Hotel kein Zimmer mit der Nummer dreizehn, aber Mats’ Eltern waren nun mal nicht abergläubisch. Und wer nicht darin wohnen wollte, dem standen genug andere Suiten zur Auswahl.
Mats hatte bloß einen kurzen Blick auf den Neuankömmling werfen können, der in einer weißen Stretchlimousine vorgefahren war, sein Gesicht jedoch unter einem breitkrempigen Schlapphut und hinter einer riesenhaften Sonnenbrille verborgen hatte. Ob er ein Star war? Schon wollte Mats weitergehen, als er im Halbdunkel des Korridors eine Bewegung bemerkte. Eine kleine graue Gestalt lugte hinter dem Topf einer Zierpalme hervor. Doch gerade als Mats genauer hingucken wollte, schob sich eine fette Frau in einem lavendelfarbenen Kleid in sein Sichtfeld.
»Der Aufzug, Junge. Wo ist der Aufzug?«
Mats deutete hinter sich und die fette Frau trippelte davon. Natürlich war das, was ihn angestarrt hatte, längst verschwunden. Er fluchte. Wenn das mal keine Ratte war. Die Hotelgäste würden durchdrehen!
Die restlichen Stufen ins Erdgeschoss nahm Mats im Laufschritt. Allmählich wurde die Zeit knapp. Nach einem schnellen Frühstück in der Hotelküche flitzte er zur Haltestelle und fuhr mit der Bahn zum Alexanderplatz, wo sich die Spitze des Berliner Fernsehturms dem tiefblauen Himmel entgegenreckte, als wollte sie ihn zum Platzen bringen.
»Jeden Morgen der gleiche Mist!« Mats kämpfte sich durch die Menschenmenge, um zu seinem Zug zu kommen. Plötzlich kribbelte es in seinem Nacken. Er drehte sich um und sah einen riesigen Schlapphut wie den Rücken eines Wals aus der Menge auftauchen und wieder darin versinken. War das etwa der Gast aus Nummer dreizehn? Aber warum sollte der ihn verfolgen?
»Hey, träum nicht! Wenn wir die Bahn verpassen, kommen wir schon wieder zu spät!«
Mats fuhr herum und wäre fast mit Lucy zusammengeknallt. Ihr Lächeln war so ansteckend, dass Mats automatisch zurückgrinste. Sie mussten beide auf dem Weg zur Schule am Alexanderplatz umsteigen.
»Wieso zu spät?«, fragte er.
»Hast du mal auf die Uhr geguckt?«
»Oh, verdammt, noch zwei Minuten. Lauf, die erwischen wir noch!«
Die beiden rannten los und quetschten sich im letzten Moment durch
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