Schach Mit Einem Vampir
zu einer ernsten, versteinerten Miene. Fraizer hingegen freute sich wie ein Kind, dem man ein großes Eis geschenkt hatte. „Sieht so aus, Ray, als ginge der Posten des Nachtwächters an dich. Du hast leider verloren.“ Ray Phelps schmollte.
„Da ist man so eine ehrliche Haut … Beim nächsten Mal gibt es ein Geldstück, auf dem beide Seiten identisch sind. Und ich fange an …“ Beide lachten.
„Lass uns aber mit den Nachforschungen bitte erst morgen beginnen. Das heißt, ich fange morgen früh an, den Mörder zu jagen. Du kannst ja noch den ganzen Tag im Bett verbringen. Gewöhne dich schon einmal an den neuen Lebensrhythmus. Deine Schicht beginnt mit dem ausklingenden Tag, mit Sonnenuntergang. Wenn ich tagsüber etwas Neues herausgefunden habe, findest du dazu eine Notiz auf deinem Schreibtisch vor. Anders herum verfahren wir natürlich genauso, solltest du in der Nacht neue Erkenntnisse gewonnen haben. Außerdem kannst du mich natürlich jederzeit anrufen, wenn du aus irgendeinem Grund Hilfe benötigen solltest.“ Fraizer widmete sich noch einmal der Akte. Währenddessen stellte Phelps die Spielfiguren auf dem Schachbrett auf. Fraizer hob fragend den Blick.
„Nun, wenn wir jetzt länger nicht mehr zu einem Spielchen kommen werden, dann gewähre mir jetzt noch eine Revanche für die Schmach der letzten Partie.“ Sein Partner willigte freudig ein. Sie spielten eine Stunde lang, dann hatte Fraizer wieder einmal gewonnen. Nachdem der dunkelhäutige Detektiv das Spiel in seinem Schreibtisch verstaut hatte, verabschiedete sich Steve Fraizer von dem frustrierten Phelps und verließ das Büro. Es war kurz nach zwei Uhr nachts. Phelps folgte Fraizer eine halbe Stunde später mit der Kopie der Polizeiakte in einem Umschlag unter seinem Arm. Er wollte das brisante Dokument keinen Augenblick aus den Augen lassen. Wenn es der Zufall so wollte, dass ein Dieb in die Detektei einbrach und den brisanten Text an sich nahm und ihn an die Presse verkaufte, konnte das sehr unangenehme Folgen für seine Freundin bei der New Yorker Polizei haben. Und außerdem gab es ihm ein besseres Gefühl, wenn er die Akte bei sich trug.
Als das Licht im Büro erlosch und sich der Schlüssel von außen in der Eingangstür drehte, regte sich etwas vor dem Fenster der Detektei. Keiner der beiden Detektive hatte mitbekommen, dass sie von außerhalb des Gebäudes durch das große Fenster beobachtet und belauscht worden waren. Das unheimliche Wesen löste sich aus dem Wandschatten. Es war der Vampir. Er hatte Fraizer zuerst mit dem Wagen zu seinem Haus verfolgt und dann in das Büro. Die Kreatur öffnete ohne Probleme das geschossene Fenster und kletterte in den Raum. Dann steuerte er ohne Umschweife auf Ray Phelps Schreibtisch zu und griff dort zielsicher nach etwas. Mühelos hantierte er in der Dunkelheit und positionierte einige Dinge auf der Arbeitsplatte des Tisches. Das unheimliche Wesen verfügte über die Gabe, in der Dunkelheit zu sehen. Einen kleinen Gegenstand nahm der Vampir an sich, verstaute ihn in seiner Kleidung, und kletterte daraufhin wieder aus dem Fenster. Nun hing er an der glatten Fassade. Die ganze Aktion hatte nicht einmal eine Minute gedauert. Geschickt drückte er das Fenster wieder in die ursprüngliche Position zurück. Danach krabbelte er schnell wie ein Insekt die steile Hauswand hinab. Niemand hatte seine widernatürliche Kletteraktion bemerkt. Als der Vampir unbeobachtet den Boden erreicht hatte, verschwand er in der Tiefgarage und huschte schattengleich zu den dort geparkten Fahrzeugen. Er hatte einen Entschluss getroffen. Und er hatte, durch seine Beobachtung der beiden Detektive während des Schachspiels, eine Selektion vorgenommen. Eine Auswahl, die folgenschwer für einen der beiden Detektive war und die das andere Mitglied des Teams Fraizer – Phelps zusätzlich motivieren sollte, sich mit seiner ganzen physischen und psychischen Kraft dem Spiel zu widmen. Der Schachspieler bereitete seinen ersten Spielzug vor ...
***
Ray Phelps verließ die stickige Fahrstuhlkabine und betrat das unterirdische Parkhaus. Auch darin zirkulierte die Luft kaum. Die warme Luft stank nach Autoabgasen und abradiertem Reifengummi. Phelps hatte lässig den Umschlag mit dem brisanten Inhalt unter seinen linken Arm geklemmt. In seiner Rechten hielt er seinen Autoschlüssel bereit. Der Detektiv musste das ganze Parkdeck durchqueren, um zu seinem Wagen, einem feuerroten Ford Mustang, zu gelangen. Um diese Zeit gab es in dem
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