Schach Mit Einem Vampir
Reise setzt sich nach Südamerika fort. Wieder erlernen die Wandernden eine fremde Sprache. Eine weitere Generation wächst heran. Sie ziehen weiter nach Norden. Nun wird Portugiesisch gesprochen, dann wieder Spanisch. Noch später Englisch. Und wieder bleibt die Gruppe unentdeckt. Sie zieht eine blutige Spur über den Kontinent. Nun, ich gebe zu, ich halte diese Version ebenfalls für wenig wahrscheinlich. Denn, niemand kommt jemals ihren Verbrechen auf die Schliche? Niemand hatte die Fremden zuvor verdächtigt, die Morde begangen zu haben? Werden nicht gerade Fremde immer zuerst argwöhnisch betrachtet und deshalb besonders genau unter die Lupe genommen? Wenn ich anstelle der Menschen von damals in den Fällen ermittelt hätte, dann hätte ich mein Augenmerk sofort auf die fremden Reisenden gelegt. Und bedenken Sie, Mr. Fraizer, die ganzen Verbrechen fanden über Generationen hinweg statt! Die Zeitspanne, sie zu überführen, wäre also sehr groß gewesen. Und ich bin mir vollkommen sicher, dass das alles irgendjemandem aufgefallen wäre. Also kann man auch diese, zugegeben, sehr dünne Version hinter dem Schachspieler mit gutem Gewissen als Unsinn abtun. Und dann gibt es da noch ein Rätsel an den neueren Morden des Schachspielers , das ebenfalls beide erwähnten Beispiele ad absurdum führt. Ich meine damit die Verbrechen ab dem Jahre 1871! Warum hinterlässt der Mörder seitdem immer eine Schachfigur bei seinen Opfern? Wie könnte dieser Punkt zu einer Huldigung an eine Gottheit passen oder zu meiner zweiten Variante? Denn Schach ist ein schönes Spiel, ohne Zweifel. Aber es bildet sich sicher keine Sekte darum, die solch ein Geheimnis daraus machen würde, dass sie dafür mordet! Und auch keine wandernde Gemeinschaft würde sich um das Spielbrett mit deren Figuren versammeln und es mit ihrem Leben verteidigen, sei das Schachspiel auch noch so wertvoll. Und wenn es sich um das allererste Schachspiel der Welt handeln würde … Lächerlich, nicht war?“ Fraizer fuhr sich nachdenklich durch sein dunkles Haar. Bisher hatte er nur wenig vom Professor erfahren. Er war etwas enttäuscht von seinem Besuch bei ihm. Dennoch antwortete er.
„Sie haben recht. Das klingt alles sehr unwahrscheinlich, Professor. Ich muss Ihnen zustimmen, dass ich auch nichts von Ihren zwei vorgetragenen Varianten halte. Früher oder später wären die Wandernden oder die Sektierer aus ihrer ersten Variante, aufgeflogen. Und die Schachfigur sieht eher nach einer Art Markenzeichen des Mörders aus. Vielleicht wollte er sich von den normalen Mördern durch dieses Zeichen absetzen und etwas Individuelles hinterlassen. Und so gesehen erscheint der Killer nur als simpler Psychopath. Doch um noch einmal auf Ihre Beispiele zurückzukommen … Was wäre die Alternative zu Ihren Sektenszenarien? Dass nicht ein Mensch allein die Morde über die Jahrhunderte verübt haben kann, dessen dürften wir uns ja einig sein. Also bleibt dieser Punkt das Rätselhafte an dem ganzen Fall. Sie haben sich sicher noch eine Variante überlegt, Professor. Was haben Sie mir noch anzubieten? Etwas, was vielleicht stimmiger klingt als Ihre zuvor genannten Beispiele?“ Ashwills Gesichtszüge wurden hart und ernst. Seine buschigen Augenbrauen zogen sich nach unten.
„Bevor ich mit der dritten Version beginne, möchte ich Sie von meiner Kompetenz überzeugen … Sie haben sich sicher gefragt, wie dieser alte Narr nur an all diese Informationen über den Serienmörder gelangen konnte. Das ist kein Geheimnis und es verbirgt sich auch nichts Illegales dahinter. Es wird Sie überraschen, Mr. Fraizer, aber ich bin ein offizieller Berater des FBI. Die Behörde selbst hat mir die wichtigen Unterlagen zukommen lassen, damit ich sie analysiere und mit meinem Wissen vielleicht zuvor Übersehenes ans Tageslicht bringe, um es einmal salopp zu formulieren. Auf Anordnung des FBI hat Lewis Goldstein mir auch seine Obduktionsberichte zugesandt. Doch alles, was ich über den Schachspieler herausgefunden habe, was sich vor dem Jahr 1871 zugetragen hatte, stand in keiner der Unterlagen. Das habe ich selbst in Archiven recherchiert. Und nun zu Ihrer Frage, was ich Ihnen noch anzubieten habe. Ich möchte Sie nur zuvor darauf hinweisen, Mr. Fraizer, dass diese Variante, die ich Ihnen nun präsentiere, mein persönlicher Favorit ist. Auch will ich Ihnen versichern, dass ich den Dingen auf den Grund gegangen bin und meine nun folgenden Behauptungen durch Dokumente untermauern kann. Ich fand
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