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Schach von Wuthenow

Schach von Wuthenow

Titel: Schach von Wuthenow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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miterlebt.«
    »Aber was denn, Kind?«
    »Er lag hier vor dem Altar über hundert Jahre, bis es ihn ärgerte, daß die Bauern und Einsegnungskinder immer auf ihm herumstanden und ihm das Gesicht abschurrten, wenn sie zum Abendmahl gingen. Und der alte Maltusch, der jetzt ins neunzigste geht, hat mir und meinem Vater erzählt, er hab es noch mit seinen eigenen Ohren gehört, daß es mitunter so gepoltert und gerollt hätte, wie wenn es drüben über Schmargendorf donnert.«
    »Wohl möglich.«
    »Aber sie verstanden nicht, was das Poltern und Rollen bedeutete«, fuhr die Kleine fort. »Und so ging es bis das Jahr, wo der russische General, dessen Namen ich immer vergesse, hier auf dem Tempelhofer Felde lag. Da kam einen Sonnabend der vorige Küster und wollte die Singezahlen wegwischen und neue für den Sonntag anschreiben. Und nahm auch schon das Kreidestück. Aber da sah er mit einem Male, daß die Zahlen schon weggewischt und neue Gesangbuchzahlen und auch die Zahlen von einem Bibelspruch, Kapitel und Vers, mit angeschrieben waren. Alles altmodisch und undeutlich, und nur so grade noch zu lesen. Und als sie nachschlugen, da fanden sie: ›Du sollst deinen Toten in Ehren halten und ihn nicht schädigen an seinem Antlitz.‹ Und nun wußten sie, wer die Zahlen geschrieben, und nahmen den Stein auf und mauerten ihn in diesen Pfeiler.«
    »Ich finde doch«, sagte Tante Marguerite, die, je schrecklicher sie sich vor Gespenstern fürchtete, desto lebhafter ihr Vorhandensein bestritt, »ich finde doch, die Regierung sollte mehr gegen dem Aberglauben tun.« Und dabei wandte sie sich ängstlich von dem unheimlichen Steinbild ab und ging mit Frau von Carayon, die, was Gespensterfurcht anging, mit dem Tantchen wetteifern konnte, wieder dem Ausgange zu.
    Schach folgte mit Victoire, der er den Arm gereicht hatte.
    »War es wirklich ein Tempelritter?« fragte diese. »Meine Tempelritterkenntnis beschränkt sich freilich nur auf den
einen
im ›Nathan‹, aber wenn unsre Bühne die Kostümfrage nicht
zu
willkürlich behandelt hat, so müssen die Tempelritter durchaus anders ausgesehen haben. Hab ich recht?«
    »
Immer
recht, meine liebe Victoire.« Und der Ton dieser Worte traf ihr Herz und zitterte darin nach, ohne daß sich Schach dessen bewußt gewesen wäre.
    »Wohl. Aber wenn kein Templer, was
dann
?« fragte sie weiter und sah ihn zutraulich und doch verlegen an.
    »Ein Reiteroberst aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Oder vielleicht auch erst aus den Tagen von Fehrbellin. Ich las sogar seinen Namen: Achim von Haake.«
    »So halten Sie die ganze Geschichte für ein Märchen?«
    »Nicht eigentlich das, oder wenigstens nicht in allem. Es ist erwiesen, daß wir Templer in diesem Lande hatten, und die Kirche hier mit ihren vorgotischen Formen mag sehr wohl bis in jene Templertage zurückreichen. Soviel ist glaubhaft.«
    »Ich höre so gern von diesem Orden.«
    »Auch ich. Er ist von der strafenden Hand Gottes am schwersten heimgesucht worden und eben deshalb auch der poetischste und interessanteste. Sie wissen, was ihm vorgeworfen wird: Götzendienst, Verleugnung Christi, Laster aller Art. Und ich fürchte, mit Recht. Aber groß wie seine Schuld, so groß war auch seine Sühne, ganz dessen zu geschweigen, daß auch hier wieder der unschuldig Überlebende die Schuld voraufgegangener Geschlechter zu büßen hatte. Das Los und Schicksal aller Erscheinungen, die sich, auch da noch, wo sie fehlen und irren, dem Alltäglichen entziehn. Und so sehen wir denn den schuldbeladenen Orden, all seiner Unrühmlichkeiten unerachtet, schließlich in einem wiedergewonnenen Glorienschein zugrunde gehen. Es war der Neid, der ihn tötete, der Neid und der Eigennutz, und schuldig oder nicht, mich überwältigt seine Größe.«
    Victoire lächelte: »Wer Sie so hörte, lieber Schach, könnte meinen, einen nachgebornen Templer in Ihnen zu sehen. Und doch war es ein mönchischer Orden, und mönchisch war auch sein Gelübde. Hätten Sie's vermocht, als Templer zu leben und zu sterben?«
    »Ja.«
    »Vielleicht verlockt durch das Kleid, das noch kleidsamer war als die Supraweste der Gensdarmes.«
    »Nicht durch das Kleid, Victoire. Sie verkennen mich. Glauben Sie mir, es lebt etwas in mir, das mich vor keinem Gelübde zurückschrecken läßt.«
    »Um es zu halten?«
    Aber eh er noch antworten konnte, fuhr sie rasch in wieder scherzhafter werdendem Tone fort: »Ich glaube, Philipp le Bel hat den Orden auf dem Gewissen. Sonderbar, daß alle

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