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Schach von Wuthenow

Schach von Wuthenow

Titel: Schach von Wuthenow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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nicht ansehen, weil er mir in dieses Herren Zacharias Werner Verzerrung einfach ein Ding ist, das mich ärgert; aber ihn nicht ansehen, weil es Anstoß gebe, weil es
Entheiligung
sei, das ist mehr, als ich fassen kann.«
    »Und
wir
, lieber Bülow«, unterbrach Frau von Carayon, »wir werden ihn uns ansehen,
trotzdem
es uns Anstoß gibt. Victoire hat recht, und wenn bei Iffland die Eitelkeit stärker sein darf als das Prinzip, so bei
uns
die Neugier. Ich hoffe, Herr von Schach und Sie, lieber Alvensleben, werden uns begleiten. Übrigens sind ein paar der eingelegten Lieder nicht übel. Wir erhielten sie gestern. Victoire, du könntest uns das ein' oder andere davon singen.«
    »Ich habe sie kaum durchgespielt.«
    »Oh, dann bitt ich um so mehr«, bemerkte Schach. »Alle Salonvirtuosität ist mir verhaßt. Aber was ich in der Kunst liebe, das ist ein solches poetisches Suchen und Tappen.«
    Bülow lächelte vor sich hin und schien sagen zu wollen: »Ein jeder nach seinen Mitteln.«
    Schach aber führte Victoiren an das Klavier, und diese sang, während er begleitete:
     
    »Die Blüte, sie schläft so leis und lind
    Wohl in der Wiege von Schnee;
    Einlullt sie der Winter: ›Schlaf ein geschwind,
    Du blühendes Kind.‹
    Und das Kind, es weint und verschläft sein Weh,
    Und hernieder steigen aus duftiger Höh
    Die Schwestern und lieben und blühn...«
     
    Eine kleine Pause trat ein, und Frau von Carayon fragte: »Nun, Herr Sander, wie besteht es vor Ihrer Kritik?« – »Es muß sehr schön sein«, antwortete dieser. »Ich versteh es nicht. Aber hören wir weiter. Die Blüte, die vorläufig noch schläft, wird doch wohl mal erwachen.«
     
    »Und kommt der Mai dann wieder so lind,
    Dann bricht er die Wiege von Schnee,
    Er schüttelt die Blüte: ›Wach auf geschwind,
    Du welkendes Kind.‹
    Und es hebt die Äuglein, es tut ihm weh
    Und steigt hinauf in die leuchtende Höh,
    Wo strahlend die Brüderlein blühn.«
     
    Ein lebhafter Beifall blieb nicht aus. Aber er galt ausschließlich Victoiren und der Komposition, und als schließlich auch der Text an die Reihe kam, bekannte sich alles zu Sanders ketzerischen Ansichten.
    Nur Bülow schwieg. Er hatte, wie die meisten mit Staatenuntergang beschäftigten Frondeurs, auch seine schwachen Seiten, und eine davon war durch das Lied getroffen worden. An dem halbumwölkten Himmel draußen funkelten ein paar Sterne, die Mondsichel stand dazwischen, und er wiederholte, während er durch die Scheiben der hohen Balkontür hinaufblickte: »Wo strahlend die Brüderlein blühn.«
    Wider Wissen und Willen war er ein Kind seiner Zeit und romantisierte.
    Noch ein zweites und drittes Lied wurde gesungen, aber das Urteil blieb dasselbe. Dann trennte man sich zu nicht allzu später Stunde.
     
Drittes Kapitel
     
Bei Sala Tarone
    Die Turmuhren auf dem Gensdarmenmarkt schlugen elf, als die Gäste der Frau von Carayon auf die Behrenstraße hinaustraten und nach links einbiegend auf die Linden zuschritten. Der Mond hatte sich verschleiert, und die Regenfeuchte, die bereits in der Luft lag und auf Wetterumschlag deutete, tat allen wohl. An der Ecke der Linden empfahl sich Schach, allerhand Dienstliches vorschützend, während Alvensleben, Bülow und Sander übereinkamen, noch eine Stunde zu plaudern.
    »Aber wo?« fragte Bülow, der im ganzen nicht wählerisch war, aber doch einen Abscheu gegen Lokale hatte, darin ihm »Aufpasser und Kellner die Kehle zuschnürten«.
    »Aber wo?« wiederholte Sander. »Sieh, das Gute liegt so nah«, und wies dabei auf einen Eckladen, über dem in mäßig großen Buchstaben zu lesen stand: Italiener-, Wein- und Delikatessenhandlung von Sala Tarone. Da schon geschlossen war, klopfte man an die Haustür, an deren einer Seite sich ein Einschnitt mit einer Klappe befand. Und wirklich, gleich darauf öffnete sich's von innen, ein Kopf erschien am Kuckloch, und als Alvenslebens Uniform über den Charakter der etwas späten Gäste beruhigt hatte, drehte sich innen der Schlüssel im Schloß, und alle drei traten ein. Aber der Luftzug, der ging, löschte den Blaker aus, den der Küfer in Händen hielt, und nur eine ganz im Hintergrunde, dicht über der Hoftür, schwelende Laterne gab gerade noch Licht genug, um das Gefährliche der Passage kenntlich zu machen.
    »Ich bitte Sie, Bülow, was sagen Sie zu diesem Defilee?« brummte Sander, sich immer dünner machend, und wirklich hieß es auf der Hut sein, denn in Front der zu beiden Seiten liegenden Öl- und Weinfässer

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