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Schadensersatz

Schadensersatz

Titel: Schadensersatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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Abfall oder eine tote Maus denken ließ. Ich steckte meinen Kopf in jedes Zimmer, konnte aber nichts entdecken. Der Gang mündete in eine Küche. Hier war der Gestank am intensivsten, aber ich brauchte eine volle Minute, um seine Ursache festzustellen: Ein junger Mann lag zusammengesunken über dem Tisch. Ich ging zu ihm hinüber. Trotz der Klimaanlage im Fenster befand sich der Körper bereits im ersten Stadium der Auflösung.
    Der Geruch war scharf, süßlich und Ekel erregend. Der Krabbensalat und der Chablis veranstalteten einen Protestmarsch in meinem Magen, doch ich überwand meine Übelkeit und hob den Jungen vorsichtig an den Schultern hoch.

    Mitten in seiner Stirn befand sich ein kleines Loch. Ein dünnes Rinnsal von Blut war daraus hervorgesickert und auf seinem Gesicht getrocknet, das Gesicht selbst jedoch war unverletzt. Der Hinterkopf dagegen bot einen grässlichen Anblick.
    Ganz behutsam ließ ich ihn wieder auf den Tisch zurückgleiten. Irgendetwas - nennen wir es getrost weibliche Intuition - sagte mir, dass ich es hier mit den sterblichen Überresten von Peter Thayer zu tun hatte. Mir war klar, dass ich die Wohnung schleunigst verlassen und die Polizei rufen musste, aber andererseits bekam ich vielleicht nie mehr die Möglichkeit, mich hier umzusehen. Der junge Mann war unzweifelhaft schon eine ganze Weile tot, sodass die Polizei ruhig noch ein paar Minuten warten konnte.
    Ich wusch mir über dem Ausguss die Hände und begab mich wieder in den Gang, um von dort aus die einzelnen Zimmer zu inspizieren. In Gedanken beschäftigte mich die Frage, wie lange die Leiche wohl schon so gelegen haben mochte und weshalb keiner der Mitbewohner die Polizei gerufen hatte. Die zweite Frage beantwortete sich teilweise von selbst durch eine neben das Telefon geklebte Liste, auf der Bernes, Steiners und Haratas Ferienanschriften verzeichnet waren. Zwei der Räume, in denen sich Bücher und Papierkram befanden, jedoch keine Kleidung, wurden offenbar von irgendeiner Kombination dieser drei bewohnt.
    Das dritte Zimmer hatte dem Toten und einem Mädchen namens Anita McGraw gehört. Ihr Name zierte in großzügigen, schwungvollen Lettern die Vorsatzblätter zahlreicher Bücher. Auf dem schäbigen Holzschreibtisch lag ein ungerahmtes Foto, das den toten Jungen und ein Mädchen draußen am Strand zeigte. Das Mädchen hatte leicht gelocktes kastanienbraunes Haar und strahlte so viel Vitalität und Gefühlsüberschwang aus, dass das Bild fast zu leben schien. Es war eine weit bessere Aufnahme als der Schnappschuss aus dem Uni-Jahrbuch, den mir mein Mandant am Vorabend überlassen hatte. Ein junger Mann war sicher bereit, für ein Mädchen wie dieses noch mehr aufzugeben als ein betriebswirtschaftliches Studium. Ich musste Anita McGraw unbedingt kennen lernen.
    Ich blätterte die Papiere durch, fand aber nichts Persönliches darunter - nur Handzettel mit der Aufforderung zum Boykott aller Druckschriften, die nicht von der Gewerkschaft herausgegeben wurden, ein wenig marxistische Literatur sowie die in einer Studentenbehausung zu erwartende Masse von Notizbüchern und Kollegheften. In einer Schublade entdeckte ich einige Zahlungsanweisungen neueren Datums, ausgestellt von der Ajax-Versicherungsgesellschaft auf den Namen Peter Thayer. Ganz offensichtlich hatte der junge Mann einen Ferienjob gehabt. Ich hielt die Abschnitte ein Weilchen unschlüssig in der Hand, dann schob ich sie in die Gesäßtasche meiner Jeans. Hinter den Abschnitten waren noch ein paar andere Papiere hervorgequollen, darunter ein Wahlschein, versehen mit einer Anschrift in Winnetka. Den nahm ich ebenfalls an mich. Man weiß nie, wozu etwas noch nütze sein kann.
    Ich steckte die Fotografie ein und verließ das Apartment.
    Im Freien atmete ich in tiefen Zügen die benzingeschwängerte Luft ein. Ich hätte nie gedacht, dass ich ihren Geruch einmal so schätzen würde. Ich lief zurück zum Einkaufszentrum und rief das einundzwanzigste Polizeirevier an. Mein Vater war zwar schon seit zehn Jahren tot, doch ich kannte die Nummer immer noch auswendig.
    »Drucker, Morddezernat«, knurrte eine Stimme.
    »In der South Harper Street Nummer fünf-vier-sechs-zwei, Apartment drei, liegt ein Toter«, erklärte ich.
    »Wer sind Sie überhaupt?«, raunzte er mich an.
    »South Harper Nummer fünf-vier-sechs-zwei, Apartment drei«, wiederholte ich. »Haben Sie das notiert?« Ich legte auf.
    Daraufhin ging ich zurück zu meinem Wagen und verließ die Szene. Die Polypen würden

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