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Schadensersatz

Schadensersatz

Titel: Schadensersatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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Frage«, schloss Ruth. »Angenommen, wir wüssten, wo sie ist, und würden es dir sagen, was hätte sie davon - wenn alles stimmt, was du behauptest?«
    »Sobald ich mir im Klaren bin, um welche Transaktionen es sich handelt, kann ich wahrscheinlich eindeutig beweisen, wer der Mörder ist. Je rascher mir dies gelingt, desto geringer ist die Chance, dass der Mörder an sie herankommt.«
    Alle schwiegen. Ich ließ einige Minuten verstreichen. Irgendwie hoffte ich, dass Annette den Versuch unternehmen würde, mich rauszuwerfen: Mir war danach, jemandem den Arm zu brechen. Radikale sind so verdammt paranoid. Und bei radikalen Studenten kommt noch die Isolation und ihre intellektuelle Arroganz dazu. Vielleicht sollte ich ihnen allen einen Arm brechen - nur so zum Spaß. Aber Annette rührte sich nicht. Und keine rückte mit Anitas Adresse heraus.
    »Zufrieden?«, fragte Mary triumphierend, die mageren Backen höhnisch grinsend verzogen.
    »Danke für eure Aufmerksamkeit, Schwestern«, sagte ich. »Für den Fall, dass eine von euch ihre Meinung ändern sollte, hinterlasse ich ein paar Visitenkarten mit meiner Telefonnummer neben der Kaffeemaschine.« Nachdem ich das getan hatte, zog ich ab.
    Auf der Heimfahrt fühlte ich mich sehr niedergeschlagen. Peter Wimsey wäre zu dieser Rotte ungehobelter Radikaler einfach hingegangen und hätte sie so mit seinem Charme bezirzt, dass sie ihm sogleich zu Füßen gelegen hätten. Nie im Leben hätte er bekannt, dass er Privatdetektiv war; er hätte sie in ein geistreiches Gespräch verwickelt, in dessen Verlauf er alles erfahren hätte, was ihn interessierte, und zum Abschluss hätte er dem Fonds »Freie lesbische Liebe« noch zweihundert Pfund gestiftet.
    Ich bog nach links in den Lake Shore Drive ein. Ich fuhr viel zu schnell, doch es bereitete mir ein abenteuerliches Vergnügen, das Tempo so hochzujagen, dass ich den Wagen beinahe nicht mehr sicher in der Hand hatte. In meiner gegenwärtigen Verfassung war es mir auch gleichgültig, ob mich eine Streife stoppte. Für die sechs Kilometer zwischen der Siebenundfünfzigsten Straße und dem McCormick Place brauchte ich drei Minuten. Und da bemerkte ich, dass ich verfolgt wurde.
    Die Geschwindigkeitsbeschränkung liegt hier bei fünfundsiebzig Stundenkilometern, ich fuhr hundertfünfunddreißig, und trotzdem sah ich im Rückspiegel noch immer das gleiche Scheinwerferpaar, das ich schon hinter mir bemerkt hatte, als ich auf den Drive einbog. Rasch bremste ich ab und wechselte auf die äußere Fahrbahn. Der andere Wagen blieb zwar auf seiner Spur, wurde aber gleichfalls langsamer.
    Wie lange wurde ich wohl schon verfolgt - und weshalb? Wenn ich auf Earls Abschussliste stand, so boten sich unzählige Gelegenheiten, mich zu beseitigen; er hatte es nicht nötig, Geld und Leute in eine Verfolgung zu investieren. Vielleicht wusste er nicht, wo ich mich aufhielt, seit ich meine Wohnung verlassen hatte. Doch das kam mir sehr unwahrscheinlich vor. Der Auftragsdienst hatte Lottys Telefonnummer, und es ist ein Leichtes, über die Telefongesellschaft eine Adresse zu erfahren, wenn man die Nummer kennt.
    Eventuell hatten sie's auch auf Jill abgesehen und waren sich nicht im Klaren darüber, dass ich sie bei Lotty untergebracht hatte. Ich fuhr langsam und unauffällig, versuchte weder die Spur zu wechseln noch überraschend den Drive zu verlassen. Mein Begleiter blieb in meiner Nähe, ließ jedoch immer einige Fahrzeuge zwischen uns auf der mittleren Fahrbahn. Als wir das Zentrum erreichten, wurden die Lichter heller, sodass ich das Fahrzeug besser erkennen konnte - es sah aus wie ein mittelgroßer grauer Sedan.
    Falls sie Jill in die Hände bekamen, hätten sie eine wirksame Waffe, um mich zur Aufgabe zu zwingen.
    Mir wollte allerdings nicht in den Kopf, dass Earl mich für gefährlich halten konnte. Er hatte mir Angst eingejagt, hatte meine Wohnung demolieren lassen und die Polizei zu einer Festnahme veranlasst. Soweit mir bekannt war, befand sich Donald Mackenzie trotz des Mordes an John Thayer weiterhin in Haft.
    Möglicherweise rechneten sie auch damit, dass ich sie zu dem Dokument führen würde, das sie in Peter Thayers Wohnung übersehen und auch bei mir nicht aufgestöbert hatten.
    Bei dem Gedanken »führen« fiel bei mir der Groschen. Natürlich! Sie hatten keinerlei Interesse an mir oder an Jill, ja, nicht einmal an der Zahlungsanweisung. Sie suchten Anita McGraw, genau wie ich, und hofften, ich würde sie zu ihr führen. Ob sie gewusst

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