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Schadensersatz

Schadensersatz

Titel: Schadensersatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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ihr etwas Heißes zu trinken. Die Ereignisse haben sie vollkommen aus der Fassung gebracht. Sie braucht jetzt ein bisschen Zuwendung.«
    Jill zitterte immer noch, doch sie hatte aufgehört zu schluchzen. Mit einem jämmerlichen kleinen Lächeln überreichte sie mir meine Jacke. »Es geht schon wieder«, flüsterte sie.
    Ich fischte eine Karte aus meiner Tasche und gab sie ihr. »Ruf mich an, wenn du mich brauchst, Jill«, sagte ich. »Tag und Nacht.« Lucy schob sie eilends ins Haus und schloss die Tür. Offenbar war ich ein echter Schandfleck in dieser Gegend - gut, dass mich durch die Bäume keiner sehen konnte.
    Ich verspürte erneut Schmerzen in Beinen und Schultern. Langsam ging ich zu meinem Wagen zurück. Der Chevy hatte eine Delle am vorderen rechten Kotflügel, wo er während des schneereichen letzten Winters gestreift worden war. Der Alfa, der Audi und der Mercedes waren samt und sonders in tadellosem Zustand. Mein Wagen und ich passten zueinander. Die Familie Thayer ähnelte eher dem schnittigen, glatt polierten Mercedes. Hier lag eine gewisse Weisheit verborgen. Möglicherweise bekam das ständige Provinzdasein weder den Autos noch den Menschen besonders gut. Ganz schön tiefgründig, Vic.
    Ich wollte nach Chicago zurückfahren und Bobby anrufen, um Informationen aus erster Hand über diesen Drogensüchtigen zu erhalten, den sie festgenommen hatten, doch solange mich Lottys Schmerzmittel noch bei der Stange hielt, hatte ich noch etwas anderes zu erledigen. Ich fuhr wieder in den Edens Expressway ein und verließ ihn etwas weiter südlich an der Ausfahrt Dempster Street. Die Straße führte durch den vorwiegend jüdischen Vorort Skokie, und ich machte dort vor dem Bagel-Works-Feinkostladen mit dazugehöriger Bäckerei Halt. Mit einem gigantischen Sandwich - Cornedbeef auf Roggenbrot - und einer Fresca zog ich mich ins Auto zurück und überlegte beim Kauen, wo ich mir einen Revolver beschaffen könnte. Wie man damit umzugehen hatte, war mir geläufig. Mein Vater hatte zu viele Unfälle mit Schusswaffen in Privathaushalten gesehen und war zu dem Schluss gekommen, dass meine Mutter und ich zur Vermeidung derartiger Unfälle lernen mussten, die Waffen zu handhaben. Meine Mutter hatte sich stets geweigert. Es weckte unglückselige Erinnerungen an die Kriegsjahre, und sie pflegte zu sagen, dass sie die Zeit lieber nutzen wolle, um für eine Welt ohne Waffen zu beten. Ich dagegen begleitete meinen Vater jeden Samstagnachmittag zum Polizeischießstand und übte Zielschießen. Zum Reinigen, Durchladen und Abfeuern eines fünfundvierziger Polizeirevolvers benötigte ich in jenen Tagen knapp zwei Minuten, doch seit dem Tod meines Vaters vor zehn Jahren hatte ich keine Praxis mehr. Seine Waffe hatte ich damals Bobby zur Erinnerung überlassen; ich hatte seitdem auch keine mehr gebraucht. Ich hatte einmal einen Mann getötet, aber das war ein Unfall gewesen. Joe Correl hatte mich vor einem Lagerhaus angegriffen, als ich mich mit gewissen Warenfehlbeständen einer Firma herumschlug. Es war mir gelungen, mich zu befreien und ihm die Zähne einzuschlagen, und als er umkippte, schlug er mit dem Kopf auf die Kante eines Gabelstaplers. Ich hatte ihm zwar den Kiefer zerschmettert, aber zu Tode gekommen war er infolge des Aufpralls auf den Gabelstapler.
    Smeissen hingegen verfügte über einen ganzen Schlägertrupp, und wenn er richtig sauer war, konnte er mühelos noch ein paar Leute dazu engagieren. Eine Waffe würde mich zwar nicht vollkommen schützen, doch ich konnte das Risiko damit etwas vermindern.
    Der Corned-Beef-Sandwich schmeckte vorzüglich. Ich hatte lange keinen gegessen und beschloss daher, mein Schlankheitsprogramm einen Nachmittag lang zu vergessen und mir noch einen zu holen. Im Feinkostgeschäft gab es eine Telefonzelle. Dort ließ ich meine Finger durch die Gelben Seiten wandern. Vier Spalten nahmen die Waffenhändler ein, darunter einer in nicht allzu großer Entfernung von meinem Standort im Vorort Lincolnwood. Als ich dort anrief und meine Wünsche bekannt gab, mussten sie passen. Nach einem Münzverbrauch von einem Dollar zwanzig gelang es mir endlich, eine mittelschwere Smith & Wesson am entferntesten Ende der South Side aufzutreiben. Inzwischen machten sich meine Verletzungen wieder empfindlich bemerkbar, und mir war ganz und gar nicht nach einer Siebzig-Kilometer-Fahrt ans andere Ende der Stadt zu Mute. Andererseits brauchte ich den Revolver gerade wegen dieser Verletzungen. Ich bezahlte den

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