Schafkopf
Mahnmal. Nur von keinem verstanden. Respekt! Gerne hätte sich Behütuns auch noch irgendwo dazwischen gestellt, nur leider war der Parkplatz schon voll. Keine Lücke mehr zwischen all den Boliden. Insgeheim reizten ihn solche anmaßenden Ansammlungen teuren Blechs immer, heimlich den Schlüssel zu ziehen und im Vorbeigehen … so schön entlang … krrrrk … nein! Weg mit diesem Gedanken! Fürs Klammheimliche sind schon Menschen ins Gefängnis gewandert, und nicht zu knapp! Außerdem stand er wirklich nicht hinter solchen Regungen. Zu irgendetwas musste die Ratio ja gut sein, zumindest ein kleiner Rest davon. Revolution war nichts für Deutsche, also das Auflehnen aus Emotion, so einfach was rauszulassen, und für Franken schon gar nicht. Also kein Parkplatz. Rückwärts rangierte er wieder aus der Hofeinfahrt hinaus und suchte sich in einer dunklen Seitengasse standesgemäß bei den Siedlungshäuschen und Vorgärten der einfachen Menschen einen Stellplatz.
Vorgestern Abend waren sie gemeinsam am Flughafen gewesen, Behütuns und Dr. Hartung. Zufällig. Zufällig? Das wollte der Kommissar heute Abend noch ergründen. Dr. Atze Grongel alias Dr. Hans Natzel – und ab sofort lass ich den Doktor weg, dachte Behütuns. Dieses eingebildete, standesdünkelhafte Pack! – war relativ schnell zusammengebrochen. Innerlich. Äußerlich nicht. Der Mann hatte Fassade! Im Laufe der ersten Befragungen noch am Flughafen hatte er zwar keinen der Vorwürfe gestanden und sofort nach seinem Anwalt verlangt, man hatte ihm aber angesehen, dass er schon abgeschlossen hatte. Mission erfüllt und fertig. Wozu dann noch groß kämpfen. Vom Flughafen aus hatte Friedo Behütuns seine Mannschaft angerufen, Jaczek und Dick waren noch im Büro gewesen, waren gekommen und hatten Grongel – es geht doch ohne Doktor! – abgeholt. Behütuns war ja nicht im Dienst. Seine Leute aber wussten: Wenn Behütuns einen festnahm, dann hatte er seine Gründe. Auch wenn man sie nicht gleich verstand. Das würde sich schon noch klären.
Intern hatte die Festnahme dann doch noch ein wenig Wirbel verursacht, denn den Gescheiten aus München war das gar nicht recht, und sie hätten ganz gerne etwas viel Größeres gehabt. Nach all dem, was passiert war. Aber nachdem eine erste Schnelluntersuchung des Blutes von Grongel alias Natzel mit den Spuren auf dem Stock von der Ribia im Tessin noch in der Nacht eine erdrückend große Wahrscheinlichkeit der Übereinstimmung ergeben hatte, waren die Tollen aus der Hauptstadt sehr schnell wieder abgereist. Plötzlich war es wieder ein Fall für die Provinz. Behütuns war das egal.
Der Psychologe saß hinter der Mauer im Wirtsgarten, unter einem der großen Sonnenschirme. Am Freilufttresen standen Gruppen von Jungmanagern in dunklem Tuch und rosafarbenen Hemden – sic! – und waren schon ziemlich betrunken. Der Spannerhof war gleichzeitig ein Tagungsund Schulungszentrum, und Unternehmen schickten hier ihren Nachwuchs hin, damit sie Dinge wie »Unternehmen menschlich führen«, »Wie Kraft aus dem Nichts entsteht« oder »Motivation – das Geheimnis der Kraft« erfuhren. Um es im Alltag sofort wieder zu vergessen. Was sicher auch gut, nein: besser war. Sie richteten ohnehin genug Unheil an. Gegen Abend und meist bis spät in die Nacht hinein arteten diese Seminare dann regelmäßig in einen Betriebsausflug mit vollständigem Besäufnis aus. Nicht anders als auf einem Lehrerseminar oder der Weiterbildung der Baywa oder der Volks- und Raiffeisenkasse. Für Behütuns war das eine andere Welt. Hartung winkte ihm zu und lachte. »Genießen Sie die Absurdität des Ortes«, begrüßte er ihn. Auch eine Art Humor, dachte Behütuns und sah seine erste Frage eigentlich schon als beantwortet an. Trotzdem wollte er ihn noch danach fragen, nahm er sich vor.
»Zwei Dunkle«, bestellte Hartung auf gut Glück, lag aber damit goldrichtig. Hübsche Mädchen bedienten und lächelten jung. Wahrscheinlich waren sie dazu angewiesen. Ganz sicher sogar. Und genauso sicher gab es auch irgendwo irgendwelche Feedbackbögen und ein internes Ranking fürs Gesmile.
»Verraten Sie mir eines«, fragte Behütuns nach dem allgemeinen Geplänkel, mit dem man Gespräche beginnt, sich aufwärmt und nähert. Ganz ohne dass man darüber nachdenkt, ja es überhaupt merkt. Sie waren inzwischen beim zweiten Bier, Nulldrei. Größere Rationen waren wohl nicht fein genug für diesen Ort. Ein Schluck, noch ein halber, und weg. Der Schaum steht dann noch im Glas.
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