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Schafkopf

Schafkopf

Titel: Schafkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommie Goerz
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obwohl Sie natürlich recht haben. Ich meinte eher die Hierarchie in so einem Krankenhaus. Die ist unter den Medizinern schon unvorstellbar genug, aber gegen das andere Personal … – wie soll ich das sagen? Die sind für die wie Menschen zweiter Klasse. Nicht für alle, doch aber für die meisten. Und Dr. Grongel war hier ein ganz Spezieller. Unglaublich arrogant. Prost!«
    Hartung hob sein Glas, sie tranken.
    »Unter uns: eine arrogante Drecksau. Ich könnte Ihnen da Sachen erzählen …«
    Er machte eine Pause, dachte nach. Von drüben donnerte wieder eine dieser vulgären, alkoholgeschwängerten Lachsalven herüber. Pubertäres Jungmanagervolk, mit seinen Aufgaben völlig überfordert.
    »Na ja, egal. Solche Kerle – aber das darf man eigentlich gar nicht laut sagen – … bei solchen Kerlen wünscht man sich, dass man sie irgendwann einmal drankriegt. Dass man sie gegen die Wand fahren lassen kann. So richtig schön genüsslich.«
    Behütuns nickte. Das konnte er nachvollziehen.
    »Und deshalb haben Sie …?« Aber das machte keinen Sinn. »Erzählen Sie weiter.«
    »Dr. Grongel hatte einmal mit der Verwaltung zu tun, da gab es irgendwelche Unstimmigkeiten. Zu dieser Zeit lag auch einmal eine Akte auf seinem Tisch, und er war nicht da. Aber ich. Und da hab ich, ganz Drecksau, auch mal reingeschaut.«
    Er winkte der Bedienung. »Dr. Hartung nimmt noch eins – die Polizei auch?«
    Das haben die im Blut, dachte Behütuns und nickte. Nulldrei ist wirklich nichts wert.
    »Und nach dem Blick in die Akte wusste ich, was das Problem mit der Verwaltung war. Denn die sind ja dort ziemlich genau. Dr. Atze Grongel, das stand da zu lesen, hieß ursprünglich einmal Hans Natzel. Als der wurde er geboren, Sohn eines Georg Natzel. Und dessen Namen, nein, die Buchstaben aus dessen Namen, hat er ihm zu Ehren – da muss in seiner Kindheit etwas geschehen sein, ich weiß aber nicht, was – da kam nämlich Dr. Grongel wieder und ich musste die Akte schnell schließen … – also wie hatte ich angefangen? Kurz und gut, in der Akte stand: Hans Natzel hat die Buchstaben des Namens seines Vaters genommen, neu gemischt und sich daraus in den USA einen neuen Namen gemacht und eintragen lassen. Als symbolischen Akt sozusagen, irgendwas stand da als Begründung. Neuanfang, psychische Belastung, Trauma, irgend sowas. Wie gesagt, ich konnte das dann nicht weiterlesen, und später war die Akte weg. Weil aber seine alten Dokumente alle auf Hans Natzel lauteten, kriegte er natürlich Probleme mit der Verwaltung.«
    Behütuns schwieg.
    »Irgendwie ist mir der Name im Kopf geblieben«, erzählte Hartung weiter, »ich hab halt ein gutes Namensgedächtnis. Allerdings muss ein Name geschrieben sein, also eher ein Schriftbildnamensgedächtnis. Komisch sowas. Auf jeden Fall hat es bei mir nicht geklingelt, als Sie bei mir waren und auch die Namen nannten. Aber dann, ich hatte Sie gerade verabschiedet und ging zurück in meinen Container, lag da ein Zettel auf dem Boden. Hatten Sie wahrscheinlich verloren. Und da standen die Namen drauf.
    Etliche, aber auch die zwei dabei: Hans Natzel, Georg Natzel. Das hat mich elektrisiert, muss ich sagen.«
    Wieder schwieg er eine Weile. Behütuns wartete ab.
    »Dann hat mein Kopf gearbeitet. Aber es konnte ja nicht sein, Dr. Grongel war ja seit Wochen weg. Und was sollte das für einen Sinn machen, dass er hier Leute sprengt. Dass er erbitterter Atomkraftgegner war, wusste ich. Da ließ er manchmal Bemerkungen fallen. Aber einfach so Leute sprengen, die mit Atomkraft nicht einmal alle wirklich etwas zu tun hatten? Also irgendwie war das für mich Quatsch. Machte alles keinen Sinn. Aber ich blieb dran.
    Es hatte ja geheißen, Dr. Grongel sei auf einem Kongress in Barcelona gewesen. Da hab ich im Internet nachgeschaut – und siehe da: Sein Vortrag war gestrichen worden! Das kann natürlich viel bedeuten, aber eben auch, dass er möglicherweise gar nicht dort gewesen ist! Dr. Hartung nimmt noch ein Bier. Nein: zwei«, rief er der vorbeilaufenden Bedienung zu und sprach sofort weiter. »Das war alles, mehr hatte ich nicht. Eigentlich völlig abstrus. Aber ich war angestochen. Hab dann geschaut, ob und wann ein Flieger aus Madrid kommt und bin rübergefahren. Einfach nur so. Wollte ihn sehen, das Prickeln spüren, was weiß ich. Ich hatte keine Ahnung, was ich tatsächlich dort wollte. Gucken, nichts als gucken wahrscheinlich. Dem Unbegreiflichen ins Auge sehen. Jagdtrieb, Neugier, Kick, was weiß ich.

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