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Schalmeienklänge

Schalmeienklänge

Titel: Schalmeienklänge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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gebrochen, aber einen häßlichen Bluterguß hatte. Er vergrub sein Gesicht an meiner Schulter. Ich kauerte am Boden, hielt ihn im Arm und starrte die Gesellschaft im Saal an; ich bebte vor Zorn und verabscheute das Bewußtsein, wie machtlos wir beide, mein Sohn und ich, in diesem abgelegenen Palast waren, wo das Geschichtenspielen so abergläubische Ängste auszulösen vermochte.
    Aber Rofdal hatte keine Angst. Er stand hoch über uns mit verzerrtem, aber keineswegs anschuldigendem Gesicht, als sei das, was ich getan hatte – was immer es sein mochte –, unter dem Niveau seiner Anschuldigung und könne bestenfalls seine Neugier erwecken. Das war das erste Mal, daß mir bewußt wurde, wie mächtig dieser Herrscher tatsächlich war, da er keine Angst vor etwas empfand, das seine Untertanen in Furcht und Schrecken versetzte.
    »Wozu diese Anspielung auf mich?«
    Ich faßte Mut, da er von einer Anspielung und nicht von Verhöhnung sprach, also sagte ich ihm die Wahrheit. »Ich habe sie nicht geschaffen, Euer Gnaden, sie entstand von selbst.«
    Er antwortete nicht. Ich hatte keine Ahnung, was er dachte. Ich hätte eine andere Antwort geben sollen, hätte sagen sollen, daß das Denken der Zuschauer diese Gestalten schuf und sie sich in mein Bewußtsein gedrängt hatten, während ich die Geschichte darbot, daß sie unwillkürlich aus meinen Fingern strömte. Irgendeine solche Lüge hätte vielleicht die Schmach von mir genommen – aber hätte er sie verstanden? Ich verstand es ja selbst nicht. Das Geschichtenspielen funktionierte nicht auf diese Weise. Meine Gewalt über meine Trugbilder war stets unvollkommen, aber niemals hatte ich dabei schöpferische Qualitäten entwickelt. Niemals.
    »Ich wollte nichts Böses, Euer Gnaden«, verteidigte ich mich und hörte, wie meine Stimme vor Wut und Furcht bebte. Meine Arme spannten sich um Jorry. Was würde er mit Jorry, was mit mir machen?
    Ein Lord, der neben dem König stand, sagte leise: »Landril…«
    Rofdals Blick strich über mein Gesicht und dann über die Mienen seiner Höflinge. Sein Ausdruck verdüsterte sich, als ob ihr Schweigen – und das meine – ihn beleidigte, als müßte jemand antworten, nur weil er fragend dreinschaute. Der Name »Landril« hing in der Luft. Der Augenblick zog sich in die Länge und wurde bedrohlich.
    Plötzlich und ohne, daß ich ihn hätte zurückhalten können, hatte Jorry sich aus meinen Armen befreit. Er kroch vor König Rofdal auf den Knien und schaute zu ihm hoch.
    »Tut meiner Mutter nichts!«
    Die hohe, junge Stimme schallte weit, Trotz strahlte aus dem kleinen Gesicht. Ich wollte Jorry heftig an mich reißen, aber irgendein Instinkt, irgendeine augenblickliche Scharfsichtigkeit für die verborgenen Aspekte dieses Moments ließen mich in der Bewegung innehalten. Statt dessen krampfte ich meine Hände zusammen. Nichts anderes hätte ihnen Einhalt zu gebieten vermocht.
    Rofdal legte seine riesige Hand unter Jorrys Kinn und hob es empor. Ich kauerte am Boden und schaute geradewegs hoch ins Gesicht des Königs; ich sah es aus einem Blickwinkel wie kein anderer im Raum. Sein Ausdruck war vielschichtig: Versonnenheit überlagerte etwas anderes, das ich nicht recht einschätzen konnte, Zorn des Frustrierten, Mißvergnügen, das für jemanden Böses verhieß, doch meine instinktive Einsicht hatte mich nicht verlassen, und ich fühlte, daß seine Empfindungen nicht Jorry oder mir galten.
    »Ein tapferes Bürschchen«, sagte er! »Ein starker und mutiger junger Krieger.« Er hob den Blick, und diesmal stand nichts Vieldeutiges in seinen Augen gegenüber dem Objekt seiner Betrachtung: Es war eine offene Warnung, und sie galt seiner schwangeren Frau.
    »Die Geschichtenspielerin ist unser Gast«, erklärte Rofdal. »Sie ist höflich zu behandeln. Ich kann kein Arg in dem finden, was sie getan hat, noch…«, und nun klang die Warnung, die in seinem Blick zur Königin deutlich geworden war, auch in seiner Stimme, »irgendwelche Ähnlichkeiten, außer in Bezug auf mich, und die waren harmlos genug. Morgen abend wird sie eine neue Vorführung darbieten, und ich werde ihre Unterhaltungskunst ohne dieses Gekreische genießen.«
    Ein letzter verächtlicher Blick in die Runde, er schritt aus dem Saal, und zu beiden Seiten seines Weges sanken Männer und Frauen auf die Knie, so plötzlich wie von der Sense gemähte Blumen.
    Ich rappelte mich hoch und packte Jorrys Arm. Eine Dienerin stürzte mit einem Pokal Wein herzu. Ich kippte den Inhalt hinab,

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