Schandweib
Fälle, die nicht eindeutig zuzuordnen waren, und neigte dann dazu, seine schlechte Laune an den Mitgliedern des Niedergerichtes auszulassen. Also musste er schnell zurück, damit er durch sein Fehlen Wilken nicht noch einen Anlass gab, die väterliche Jovialität hintanzustellen und seinen Ärger an ihm auszutoben.
»Das muss alles gerade passiert sein«, mischte er sich darum ein, »derweil wir beide hier sitzen. Als ich das Gericht vor einer knappen Stunde verließ, war noch kein Wort von dieser Frau zu hören «
»Es war wirklich komisch, Herr«, fuhr Jürgen, den Prokurator gar nicht wahrnehmend, fort. »Als sie das Weib, die als Mann verkleidete Frau, zum Gericht führten, glaubten noch alle, dass sie es mit einem Mann zu tun hatten, so überzeugend spielte sieihre Rolle. Alle dachten, einen Schläger und Bigamisten gefasst zu haben. Erst als sie zu weinen anfing, zerriss plötzlich der Schleier der Einbildung, den diese Frau über die Anwesenden geworfen hatte.«
Wrangel erhob sich bereits, um aufzubrechen, aber weder Asthusen noch Jürgen nahmen davon Notiz.
»Einige glaubten auch, sie sei eine Hexe, deren Zauber jetzt plötzlich gebrochen war. Die Mutter der verletzten Frau sprach ein Vaterunser und fiel in Ohnmacht. Plötzlich sahen alle, dass sie, trotz der Männerkleider, ein Weib war. Wenn wohl auch ein recht flach gebautes « Jürgen lachte dröhnend auf.
Bei dem Wort Hexe durchzuckte es Wrangel unwillkürlich. In Halle hatte sein Lehrer Thomasius mit all seiner Kraft und Intelligenz darum gekämpft, diesen Aberglauben aus den Köpfen der Menschen und vor allem aus den Gerichtssälen zu vertreiben. Hamburg galt im Allgemeinen nicht als sehr anfällig für den Hexenwahn. Aber er wollte doch hören, wie die Leute hier damit umgingen, und setzte sich wieder hin, um Jürgens Bericht weiter zu folgen.
»Scherz beiseite, Jürgen, weißt du, was das heißt? Das wird keine ordentliche Hinrichtung geben, höchstens Stäupung , Brandmarkung und Stadtverweis. Mir wäre es lieber, wenn das Gericht sie ganz laufenließe.«
»Nun ja, Meister, Ihr müsst den Gerichtsverwalter verstehen. Die Leute waren aufgebracht, und als alle sahen, mit wem sie es wirklich zu tun hatten, konnte er nicht mehr anders, als sie gefangen zu setzen. Dass eine Frau Männerkleider trägt, ist doch nun auch gegen Gottes Gebote.«
»Blödsinn. Tatsächlich bedient sich das Gericht einfach mal wieder meiner Frohnerei als billigen Aufbewahrungsort für kleine Übeltäter«, fuhr der Scharfrichter aufgebracht dazwischen.»Hier sollen Gefangene nur einsitzen, sofern sie auf frischer Tat ertappt werden, oder aber zwischen Todesurteil und Hinrichtung oder wenn wir sie foltern müssen. Kein Wunder, dass wir jetzt so schlecht dastehen. Nichts ist für einen Henker schlimmer als eine zu streng ausgeübte Justiz, welche die Leute vom Verbrechen abschreckt. Sie werden diesem Weib ein langweiliges Verfahren machen, das auf eine milde Strafe hinausläuft, wenn das alles ist, was sie auf dem Kerbholz hat.«
Wrangel nickte und hoffte dabei heimlich, dass der Pöbel mit seinem Aberglauben nicht mehr einfordern würde.
»Aber wir können doch noch ein wenig für uns herausholen, Herr. Bedenkt doch: ein Weib in Männerkleidern. Die Leute werden in Scharen kommen, um sie zu begaffen. Vielleicht können wir das Eintrittsgeld heraufsetzen, das sie zahlen, um die Verbrecher zu sehen.«
Der Scharfrichter durchdachte kurz die Idee seines Meisterknechtes. »Weißt du, Jürgen, manchmal erstaunst du mich.« Er grinste. »Vielleicht ist der Fall doch interessant für uns. So etwas gibt es tatsächlich nicht alle Tage. Schnell jetzt, ruf die anderen Knechte zusammen und nehmt euch die Trommel! Ich werde einen Ausruf aufschreiben, der die Leute neugierig macht. Wie heißt übrigens diese Person?«
»Ihren richtigen Namen wollte sie nicht preisgeben, aber die Leute sagten, dass sie sich Hinrich Bunk habe nennen lassen.«
Asthusen schüttelte den Kopf. »Welch einfallsloser Name, aber für ihre Zwecke gerade richtig, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Wir brauchen etwas anderes vielleicht Du sagtest, sie habe sich mit einer anderen Frau verheiratet, die sie dann notzüchtigen wollte, und sie habe Männerkleider getragen Den welschen, papistischen und parfümierten Reichsfeinden, den Franzosen, traut man so etwas doch zu. Wie wäre es, wennwir sie Monsieur Henry nennen? Nein, das klingt zu fein, besser nennen wir sie Monsieur Hinrich.«
Der
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