Schandweib
für großes Aufsehen. Eine Abordnung machte sich nach Bremen auf. Thomas Wilkens Schicksal war auf Gedeih und Verderb an den Erfolg des Unternehmens geknüpft. Wenn es misslänge, würde der Rat die Ausgaben von ihm zurückgeordert und damit seinen Ruin besiegelt haben. Wilken glaubte, alles gründlich bedacht zu haben. Doch trotz der großen Mühe, die er auf die Anfertigung der Urkunde verwandt hatte, erregte das Siegel das Misstrauen des Bremer Bischofs. Es war nämlich nicht von Kaiser Friedrich II., sondern von Kaiser Friedrich III. Ein Fehler, der einem historisch gebildeten Mann wohl kaum passiert wäre. Wilkens Urkunde wurde entsprechend angefochten, die Ratsherren machten ihm schwere Vorwürfe. Er musste seine ganze Beredsamkeit aufbringen, um sie zu überzeugen, dass die Sache noch nicht verloren sei und man immer noch einen Schiedsrichter anrufen könne. Mit großer Mühe brachte er den Rat dazu, den Herzog von Braunschweig und einen Geistlichen zu benennen, welche – von den Hamburgern mit aufwendigen Geschenken versehen – die Echtheit der Urkunde bestätigen sollten. Wenn man so etwas hört, möchte man lieber gar nicht wissen, welche Urkunden aufgrund von Goldtalern für echt befunden wurden und was damit historisch so zurechtgerückt wurde Nun, die Aufwendungen zahlten sich auch hier aus. Sowohl der Herzog als auch der Kirchenmann bestätigten wenige Wochen später die Echtheit derUrkunde. Thomas Wilken wurde noch im selben Jahr in den Rat der Stadt aufgenommen.«
»Welch ein Einstieg«, entfuhr es Wrangel.
»Für die Wilkens hat er sich gelohnt. Doch gilt nicht zu vergessen, junger Mann, dass die Familie in den folgenden Generationen stets darum bemüht war, Hamburg ehrbar zu dienen. Viele Söhne bekleideten Ämter in der Stadt und dienten ihr aufrichtig mit Gottes Hilfe. Und so manche Tochter aus der Familie heiratete ehrbare Kaufleute und schenkte vielen gesunden Kindern das Leben. Die Geschichte birgt eben so manches Geheimnis, das nicht unbedacht für ein Urteil in der Gegenwart herangezogen werden sollte.«
»Ihr wisst, wovon Ihr sprecht, denn Ihr seid wahrlich bewandert in der Geschichte dieser Stadt und ihrer führenden Köpfe, Dr. Meyer. Ich sehe den Historiker in Euch«, würdigte Wrangel die Erzählung des Aktuars.
»Nun, ich will Euch nicht verheimlichen, dass ich in der wenigen freien Zeit, die mir meine Pflichten am Niedergericht lassen, an einer Chronik der Stadt Hamburg arbeite. Denn schließlich habe ich dank meines Amtes den Zugriff auf die Dokumente«, entgegnete Dr. Meyer nicht ohne Stolz.
»Das ist ein würdiges Vorhaben für Euer Wissen«, schmeichelte Wrangel und erblickte unweit vor sich ein altes Kontorhaus mit einer Fassade aus dunkelrotem Backstein und schwerem Eichengebälk. Über der gewaltigen Haustür prangte das Wilken’sche Wappen.
»Wir sind angekommen«, bemerkte Dr. Meyer trocken. »Hier lebt der Prätor mit seiner Frau und den drei Söhnen.«
Dr. Meyer klopfte zweimal kurz gegen die Tür, welche wenig später von einem alten Bediensteten geöffnet wurde, der die beiden Männer in die Diele führte. Gleich rechts davon ging dasEsszimmer ab, dessen Tür nur angelehnt war und aus dem die Stimmen des Prätors und des Brookvogtes herausdrangen.
»Nun, wie steht es bei der Nachtwache, Brookvogt? Hat Er die drei noch fehlenden Röper wieder ersetzt?«, hörte Wrangel den Prätor fragen, der durch sein Amt auch die Oberaufsicht über die Gerichtsdiener und Nachtwächter hatte, welche ihn als obersten Ermittler unterstützten, Erkundigungen einzogen, Verhaftungen vornahmen und das Gesindel in seinen Schlupfwinkeln aufspürten.
»Wir haben immer noch keine achtzig Mann«, entgegnete der Brookvogt unterwürfig.
Wrangel hörte den Prätor mit dem Zeigefinger auf die Tischplatte pochen. Innerlich schmunzelte er darüber, wie peinlich Wilken immer darauf bedacht war, den Brookvogt nur mit dem Personen niederen Standes vorbehaltenen »Er« anzusprechen, obwohl dies schon länger aus der Mode gekommen war, seine autoritäre Wirkung jedoch nie verfehlte.
In diesem Moment öffnete der Diener die Tür zum Esszimmer und kündigte die Ankunft Wrangels und des Aktuars an.
»Gut, dass Ihr da seid, Prokurator Wrangel. Nehmt Platz und wartet einen Augenblick, bis wir die Sache besprechen können, wegen der ich Euch habe kommen lassen.« Wilken machte eine undeutliche Handbewegung, und Wrangel setzte sich auf einen der freien Stühle gleich bei der Tür.
»Welche
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