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Schandweib

Schandweib

Titel: Schandweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Weiss
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sonst Ilsabeten hieß.«
    Auf der Brücke, die über den Alsterarm hinüber zum Herrengraben und weiter auf den Alten-Müllern-Steinweg führte, war das Gedränge so groß, dass die Röper mit ihren Stangen eine Phalanx entlang des Schinderkarrens bildeten und die Leute kräftig zurückschieben mussten. Einige versuchten sogar, die Kleider der Verurteilten zu fassen zu bekommen. Die jedoch standen apathisch auf dem Karren und schienen das Treiben um sie herum kaum wahrzunehmen. Wrangel fragte sich, ob Asthusen da wohl mit etwas Laudanum oder anderen betäubenden Mitteln nachgeholfen hatte.
    Hinter der Brücke tauchten direkt neben Wrangel die Johanneer mit Direktor Schultze auf und fielen lauthals in das Schandlied mit ein.
    »Die Probe ward in Amsterdam,
    Als ich von Bremen dahin kam,
    Mit Schelmenstücken abgelegt,
    Wie böser Leute Rotte pflegt.
    Des Herren Priester äffet ich
    Und ließe zweimal trauen mich
    Allzeit mit einem anderen Weib,
    Als hätt ich eines Mannes Leib.«
    Auf dem Neuen Markt hatte sich schon eine große Traube Menschen rings um den kleinen Kohlenofen versammelt, den Asthusens Meisterknecht bereits kräftig befeuert hatte, um die Zangen zum Glühen zu bringen. Am Eingang zum Neuen Markt entdeckte Wrangel die verhutzelte Gestalt von Maria Jähner. Sie hatte sich ein schwarzes Tuch um den Kopf geschlagen, sodass man kaum etwas von ihrem Gesicht erkennen konnte. Wrangel fühlte Mitleid mit der alten Frau, deren ehrbare Existenz mit dem heutigen Tag zu Ende ging.
    Unmittelbar vor dem kleinen Kohlenofen mitten auf dem Neuen Markt kam der Zug zum Stehen. Die beiden Henkersknechte, die den Schinderkarren flankiert hatten, griffen Cäcilie und zogen sie vom Karren herunter. Mit geübten Griffen lösten sie das Hanfkleid und präsentierten sie der Menschenmenge splitternackt. Die Leute grölten, und so mancher Mann stieß einen wilden Pfiff beim Anblick ihres wohlgeformten, selbst nach Wochen des Kerkers noch üppigen Körpers aus. Die beiden Knechte fixierten Cäcilie mit geübtem Griff direkt vor dem Meisterknecht, der, von einem schweren ledernen Handschuh geschützt, eine der drei glühenden Zangen aus dem Ofen zog. Kurz darauf erfüllte ein gellend hoher Schrei die kalte Winterluft. Cäcilie wand sich wie ein Aal und versuchte mit aller Kraft dem festen Griff der Männer zu entkommen. Aber schon war Jürgen ihr ein zweites Mal mit der Zange in die Seite gefahren. Die Leute schrien vor Begeisterung und verhöhnten die vor Schmerz und Kälte zitternde Frau.
    Keine fünf Minuten später war Bunk an der Reihe. Auch sie schrie und stöhnte, wehrte sich aber nicht gegen den festen Griff der Knechte. Der Geruch von verbranntem Fleisch breitete sich aus. Wrangel wurde übel.
    Jähner wimmerte ununterbrochen. Als die glühenden Eisen ihm ins Fleisch fuhren, jaulte er wie ein verwundetes Tier auf, um kurz darauf erneut in ein Wimmern zurückzufallen.
    Das Spektakel auf dem Neuen Markt dauerte eine gute halbe Stunde, dann setzte sich der Zug wieder in Bewegung zum Johanniskloster , wo den Verurteilten auf ihrem Weg zum Schafott nach altem Brauch von den Ordensschwestern ein stärkender Trunk gereicht wurde.
    »Der einen schnitt ich auf den Leib,
    Und da ich diese Tat betreib’,
    Ward ich zuletzt davongejagt,
    Sonst hätt ich sie gar umgebracht.
    Der Schelmenstücke sind so viel
    Noch überdies, dass, wenn ich will
    Sie nach der Ordnung zeigen an,
    Nicht Worte g’nug erfinden kann.«
    Die gesamte Schar zog beim Fuhlbek hoch bis zur Neuen Straße , überquerte die Fuhltwiete und folgte der ABC-Straße hinauf bis zum Gänsemarkt . Überall waren die Straßen von Menschen gesäumt, die neugierig und in schauriger Anspannung ihre Blicke auf den Schinderkarren mit den drei Verurteilten richteten. Die hatten ihre Kleider wieder übergeworfen, aber über den frischen Brandwunden verfärbte sich der Stoff rotbraun. Vom Gänsemarkt ging es weiter über den Jungfernstieg. Hier drängten sichdie Leute auf den Balkonen und an den offenen Fenstern der großen Häuser. Nachdem der Zug das Alsterfleet ein zweites Mal überquert hatte, bog er rechts hinter dem breiten Giebel ab, der direkt zum Johanniskloster führte. Dort standen bereits die Ordensschwestern vor dem Tor und sangen »Jesus, meine Zuversicht«.
    Als der Schinderkarren vor dem Tor zum Stehen kam, traten drei Schwestern aus der Gruppe heraus und auf die Gefangenen zu. Jede trug feierlich einen Becher Wein vor sich her. Wrangel stutzte. Die Ordensschwester,

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