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Schandweib

Schandweib

Titel: Schandweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Weiss
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die auf Bunk zuging, war auffallend groß und schlank und hatte stahlblaue Augen, mit denen sie Bunk fixierte. Es war Erika Bruhn, die Hebamme aus Wandsbek! Wie hatte sie sich unter die Schwestern schleichen können? Kurz bevor sie Bunk das Getränk reichte, knickte ihr Handgelenk etwas über dem Becher ein, und Wrangel vermeinte zu sehen, dass aus ihrer Hand eine Flüssigkeit in den Becher floss. Wrangel glaubte kaum, was er da sah, hoffte aber inständig, dass es niemandem sonst auffiel.
    Bunk hatte sich geirrt. Sie hatte doch eine Freundin. Und was für eine! Erika Bruhn riskierte viel, um Bunk auf diesem letzten harten Weg den Schmerz zu lindern, ja vielleicht sogar einen unauffälligen sanften Tod zu bereiten. Denn was sonst als einen kräftigen Schuss Laudanum hatte sie da gerade in den Wein geträufelt.
    »In Sonderheit hab ich vexiert
    Viel Mädchen, welche ich gespürt
    Lust haben zu verbot’ner Frucht
    Und liegen in der Männer Sucht.
    Ich bin auch von der Gaukelei
    Und bösen Künsten nicht ganz frei.
    Kurz, meiner Laster Grausamkeit
    Ist fast erhört zu keiner Zeit.«
    Wrangel spürte, wie ihm kalter Angstschweiß den Nacken herunterlief. Vorsichtig spähte er nach links und rechts, ob auch niemand den Kunstgriff der Hebamme bemerkt hatte. Aber er konnte keine Anzeichen in den Gesichtern der Leute erkennen. Sie gierten vielmehr darauf, dass der Zug seinen Weg fortsetzte und zum Schweinemarkt kam, wo bereits die nächsten glühenden Eisen auf die armen Sünder warteten.
    Weiter ging es über die Große Johannisstraße auf den Berg hinauf, an der Frohnerei vorbei und die Steinstraße hinab bis zum Schweinemarkt, der sich zwischen der Sebastianus- und der Hieronymus-Bastion erstreckte. Immer mehr Volk kam zusammen, immer dichter wurde das Gedränge. Auf dem Schweinemarkt hatten sich schon viele Gaukler eingefunden und gaben ihr Bestes, die Leute bis zur Ankunft des Schinderkarrens mit ihren Kunststücken zu unterhalten.
    Wrangel drehte sich unauffällig zu Bunk um. Sie hatte die Augen geschlossen und ließ den Kopf hängen. Jähner wimmerte immer noch. Die Jürgens schwieg, starrte aber mit irrem Blick in die tobenden Menschenmassen.
    Mit einem Ruck hielt der Wagen kurz vor dem Abort, wo man vor einem knappen Jahr die kopflose Frau gefunden hatte.
    »Drum leide ich nun mit Geduld,
    Was ich durch solche hab verschuld’t;
    Ein jeder spiegle sich an mir
    Und hüte sich mit Fleiß dafür.
    Mit Zangen werde ich gezwickt.
    Hätt ich mich besser angeschickt,
    So wär ich frei von solcher Pein,
    Nun aber kann’s nicht anders sein.«
    Wieder zogen die Henkersknechte die drei Verurteilten vom Karren, rissen ihnen die Kleider vom Leib und gaben sie den glühenden Zangen preis. Die Schreie der Gepeinigten mischten sich mit dem aufpeitschenden Gejohle der Zuschauer.
    Wrangel ließ seinen Blick über den Markt schweifen. Viele der Verkaufskoben waren noch mit Schweinen und Ferkeln gefüllt, auch auf den Marktständen pries man noch reichlich Ware an. Aber kaum einer interessierte sich im Augenblick dafür. Alles gaffte auf die Verurteilten.
    Als die wieder auf dem Schinderkarren verladen waren, machte sich der Zug durch das Steintor auf in Richtung St. Georg zum Richtplatz. Nach einer knappen halben Stunde erreichte er den Köppelberg. Auf dem viereckigen Hügel war ein großes hölzernes Schafott aufgebaut. Drei Räder, an das Geländer gelehnt, warfen ihre gefächerten Schatten auf das Holz. Die Zugbrücke, die den Wassergraben rings um den Richtplatz überspannte, wurde erst kurz bevor sie ankamen heruntergelassen. Während der Henker, seine Knechte und die Röper den Schinderkarren hineinmanövrierten, schritten die gerichtlichen Würdenträger jenseits des Grabens auf eine neuerrichtete Tribüne zu, von der aus sie die Hinrichtung zu bezeugen hatten.
    Wrangel stieg vorsichtig die mit Eis bedeckten Stufen hinauf. Von dort oben konnte man nicht nur das gesamte Schafott, sondern auch den Platz bis hinüber zum Galgenhügel einsehen. Es summte nur so von Menschen. Zum Glück war es so kalt, dasssich die üblen Gerüche, die sie ausströmten, in der klirrenden Luft schnell verflüchtigten.
    »Durchs Rad ist mir der Tod beschert,
    Des Grabes ist der Leib nicht wert.
    Der wird verbrannt durchs Feuer heut,
    Die Asche in die Luft gestreut.
    Gott aber, dem ja keine Lust
    An des Gottlosen Tod bewusst,
    Ich kehre mich nun ganz zu dir,
    Lass Gnade widerfahren mir.«
    Die Falltür auf dem Schafott öffnete sich, und hinaus

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