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Schandweib

Schandweib

Titel: Schandweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Weiss
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oder aber mit einem Flussschiff hinunter nach Hamburg oder hinauf nach Lauenburg gefahren seien.«
    »Herr, Anfang des Jahres hat man doch die Leiche ohne Kopf auf dem Schweinemarkt gefunden«, mischte sich der Meisterknecht ein.
    »Natürlich«, erwiderte Asthusen, gebot aber mit einer Handbewegung seinem Knecht zu schweigen und wandte sich dem Mann zu, der vor ihm erneut ein Stück zurückwich. »Ich bedaure, aber wenn Eure Tochter zu jener Zeit verschwunden ist, haben wir starke Hinweise darauf, dass sie tot ist.«
    Eine der Frauen schluchzte laut auf. Der Mann versuchte sich erneut verzweifelt dem Griff der Knechte zu entwinden.
    »Natürlich wird erst eine gerichtliche Untersuchung die wahren Umstände des Verschwindens Eurer Tochter ans Licht bringen«, warf Wrangel ein, »und nachweisen, inwiefern dieses Weib Anteil und Täterschaft daran hat.« Er deutete auf die am Boden Liegende.
    »Doch kann ich Euch sagen«, tönte Asthusen dazwischen, »dass wir es hier mit einer abgefeimten Übeltäterin zu tun haben.«
    Die Gefangene stöhnte widerwillig hinter ihren mit Blut verschmierten Händen. »Ich habe mit seiner Tochter nichts zu tun. Ja, ich war einmal in Neuengamme, vielleicht habe ich auch mit ihr gesprochen, aber «
    Ein Knecht des Scharfrichters unterbrach sie jäh. »Gib Ruhe, oder ich prügle dich durch. Du wirst noch genug Gelegenheit bekommen zu reden, wenn wir dich peinlich befragen .« Wrangel musterte das Weib erneut verdutzt. Seine Stimme war derart rau, dass sie genauso gut einem Mann gehören konnte. Noch nie war er sich so unsicher gewesen, zu entscheiden, mit wem er es zu tun hatte, wie bei diesem Geschöpf.
    Asthusen hob die Hände, um Ruhe zu gebieten. »Ich werde dem Gericht von diesem Verdacht Meldung machen. Geht jetzt hinaus, ihr guten Leute, haltet euch aber noch zur Verfügung, falls ihr Zeugnis ablegen müsst. Gebt meinen Knechten eure Namen, damit das Gericht euch vorladen kann. Mein Meisterknecht kann schreiben.«
    Mit knappen Worten gab er den Knechten weitere Anweisungen. »Bringt die Gefangene zurück ins Verlies, und sagt den Leuten draußen, sie sollen morgen wiederkommen. Ich muss zum Gericht.«
    In seiner Eile vergaß Asthusen beinahe, seinen roten Umhang anzulegen.
    Wrangel trat einen Schritt auf ihn zu. »Meister Ismael«, unterbrach er des Henkers hektisches Treiben, »vergesst mein Anliegen nicht. Ich möchte die Gefangene ungestört sprechen. Jetzt noch dringlicher als zuvor.«
    »Ja, selbstverständlich, Prokurator Wrangel. Jürgen soll Euch zu ihr führen, sobald hier Ruhe eingekehrt ist. Jetzt haben wir vielleicht endlich einen Mord. Heute scheint ein Glückstag zu sein.« Schnell warf er den Umhang, den Jürgen ihm inzwischen gereicht hatte, über die Schultern und bahnte sich seinen Weg durch die murrende Menge, die gerade erfahren hatte, umsonst angestanden zu haben.
    Asthusens Begeisterung rührte trotz des bisher so schlecht verlaufenen Jahres nur zum Teil von seinem kaufmännischen Interesse her, da war sich Wrangel sicher. Vielmehr schien es den Scharfrichter zu freuen, wieder Gelegenheit zu haben, auf demSchafott die hohe Kunst seines Handwerks richtig zeigen zu können.
    Im Grunde seines Herzens war er ein mitfühlender Mann. Er bedauerte es jedes Mal, einem kleinen Dieb, der sich aus Verzweiflung am Eigentum eines wohlhabenden Bürgers vergriffen hatte, das Brandmal aufzudrücken und den Rücken mit dem Staupenbesen blutig zu schlagen, derweil das reiche Opfer herablassend über den Henker die Nase rümpfte. Schon das eine oder andere Mal hatte Wrangel selbst miterlebt, dass der Henker dann den Staupenbesen nur mit halber Kraft führte. Bei einer abgefeimten Mörderin aber, da war sich Wrangel sicher, hätte Asthusen das Gefühl, ein gerechtes und ehrbares Werk zu tun, das seine Bedeutung für das Gemeinwohl allen deutlich vor Augen führte.
    Ein kalter Schauer lief ihm beim Gedanken an das Schafott über den Rücken. Sollte sich der Mord, mit dem sein Leben in Hamburg begonnen hatte, nun so aufklären? Ausgerechnet mit ihm als Pflichtverteidiger? War dies das Zeichen, das Gott ihm gesandt hatte? Für ihn nur die hoffnungslosen, die verlorenen Fälle? Oder lag seine Aufgabe vielleicht gerade darin, die Hoffnungslosigkeit zu überwinden?
    Einer der Frohnknechte riss Wrangel mit dem Hinweis, dass die Gefangene nun allein für ihn zu sprechen sei, aus seinen Gedanken.
    Zusammengekauert hockte das Mannweib auf einem Strohsack in der Ecke ihrer schummrigen Zelle.

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