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Schandweib

Schandweib

Titel: Schandweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Weiss
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zusammengelebt mit ihr.«
    »Wie lange denn? Und habt Ihr auch die Ehe geschlossen, wie du es mit der Pausten in Altona getan hast?«
    Bunk winkte störrisch ab.
    Wrangel klopfte ungeduldig mit den Fingern auf den Tisch neben sich.
    »Ja, das haben wir.«
    »Ein bisschen genauer bräuchte ich es schon«, knurrte Wrangel.
    »Mehr als ein Jahr lang haben wir zusammengelebt. So genau erinnere ich mich nicht mehr. In Wandsbek haben wir geheiratet. Es war von Vorteil für die Hökerei. Als Eheleute hat man weniger Scherereien.«
    »Wann war das?«
    »Im Frühjahr ist es zwei Jahre her. In Wandsbek gibt’s einen alten Pfaffen, der verkauft für den richtigen Preis auch seine Mutter einem Heiratswilligen als Jungfer.«
    »Und was ist mit dem Jähner? Welche krummen Sachen hast du für den gemacht?«
    »Das hab ich Euch doch alles schon erzählt. Kräuter hab ich ihm besorgt und Wurzeln, manchmal einen Hirschpenis oder Bullenhoden. Auch ein toter Hund war mal dabei.«
    »Und die Daumen und der Kopf?«
    Bunk zuckte unwillkürlich zusammen. Dann fasste sie sich wieder. »Ja, ein paarmal haben wir auch Diebsdaumen gestohlen. Jähner wollte sie unbedingt und drängte immer wieder darauf. Wenn sich dann mal eine gute Gelegenheit bot und wir an einem unbewachten Gehängten vorbeikamen, nahmen wir sie mit.«
    »Und der Kopf?«
    »Das war so, wie ich’s gesagt hab. So und nicht anders.« Damit drehte sie sich störrisch zur Seite und schwieg.
    Resigniert schüttelte Wrangel den Kopf. Hier kam er nicht weiter. So würde eben erneut die Tortur das Schweigen brechen müssen. Zum Besseren oder zum Schlimmeren.
    Die Glocken hatten inzwischen aufgehört zu läuten, das Feuer musste also unter Kontrolle sein. Aber die Luft war voller Ruß und Rauch. Er rief nach Asthusen, um die Gefangene zu übergeben. In seinen Kleidern hing der Brandgeruch, und auch seine Hände und das Gesicht waren verschmiert. Da half nur noch ein Besuch im Badehaus. Vielleicht befreite es ihn zugleich auch von all den unseligen Geschichten dieses Schandweibes, das sich kopfüber in ihr Unglück stürzte.
27
    M it klammen Fingern ließ Ruth Abelson kaltes Wasser aus dem Krug in die Waschschüssel laufen, die in einem eisernen Ständer in einer Ecke ihrer Schlafkammer stand. Dann schob sie die Ärmel ihres Kleides nach oben, griff nach einem Stück Seife und tauchte ihre Hände in das Wasser, das sich augenblicklich grauschwarz verfärbte. Kräftig rieb sie die Handflächen und Finger aneinander, um all den Ruß und Dreck zu lösen, der an ihnen haftete. Dann warf sie einen flüchtigen Blick in den kleinen Spiegel, der an der Wand hing. Das Gesicht, das ihr entgegenblickte, war ebenfalls rußverschmiert, die Haare wirr, und in den Augen spiegelte sich noch der Schreck der letzten Stunde. So durfte ihr Vater sie auf keinen Fall sehen, genauso wenig, wie er erfahren durfte, was sie gerade erlebt hatte.
    Sie war auf dem Weg nach Hause gewesen, hatte den Vormittag genutzt, um einer Bekannten einen kurzen Besuch abzustatten und einige Sticknadeln auszustauschen, als auf einmal der Geruch von Feuer die Luft durchzog und sämtliche Kirchenglocken der Stadt Alarm schlugen. Vor St. Petri sah sie Margarete Claussen mit einigen Freundinnen zusammenstehen und aufgeregt reden. Sie lief zu ihnen und hörte mit Schrecken von einem Feuer auf der Vincent-Bastion. Immer mehr Leute stürmten auf die Straßen, liefen in Richtung Bastion, um zu helfen, den Brand zu löschen.
    Ohne auch nur zweimal zu überlegen, ließ Ruth die Damen vor der Kirche stehen und lief ebenfalls auf die Wallanlagen zu. Als sie die Stadtmauer erreichte, wurde das Gewühl der Menschen so dicht, dass sie kaum noch vorankam. Auf einmal stand ein kleines Mädchen neben ihr, weinte bitterlich und rief hilfesuchend nach seiner Mutter. Niemand reagierte, niemand kümmerte sich um das Kind. Die Leute schubsten es vielmehr zur Seite. Ruth schaute sich besorgt um, konnte aber nirgendwo eine ihr Kind suchende Frau ausmachen.
    Beherzt ging sie auf die Kleine zu und ergriff ihre winzige, von Tränen ganz feuchte Hand. »Hab keine Angst, Kleines. Wir werden deine Mutter schon finden.«
    Von allen Seiten drängten die Leute immer dichter gegen Ruth und das kleine Mädchen, entrissen ihr das zarte Händchen sogar wieder. Ruth schob eine dicke Frau in schmutziger Schürze beiseite, ergriff die Kleine mit beiden Armen und hob sie hoch auf ihre Hüfte. Sie mochte vielleicht vier Jahre alt sein. Große braune Augen starrten sie

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