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Schandweib

Schandweib

Titel: Schandweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Weiss
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schließen, für die man eine kleine Ewigkeit bräuchte, wollte man sie alle durchprobieren, vorausgesetzt, man wüsste überhaupt, wo man anfangen sollte.«
    »Darum sagte ich eingangs, dass jede noch so kleine Information über diese Briefe uns helfen könnte, den Zugang zum Schlüssel zu finden. Aber heute ist es schon spät. Es wird am besten sein, Ihr denkt in Ruhe über alles nach, und wir sprechen uns in den nächsten Tagen noch einmal. Dann wird vielleicht auch meine Tochter hier sein und sich mit Freuden persönlich von Eurer Genesung überzeugen. Heute jedoch ist sie bei Frau Claussen zur gemeinsamen Handarbeit.«
    Wrangel spürte ein Ziehen im Magen. Natürlich war ihm aufgefallen, dass er Ruth noch nicht im Haus angetroffen hatte. Aber er ging davon aus, dass sie sich etwas später zu ihnen gesellt hätte. Nun zu wissen, dass er sie heute gar nicht sehen würde, ließ eine unerwartet klamme Leere in ihm aufkommen.
    Schnell verscheuchte er das unangenehme Gefühl. Abelson hatte ihn schließlich nicht wegen seiner Tochter hergebeten, sondern der Briefe wegen. Der großzügige alte Herr hatte ihm schon jetzt mehr geholfen als irgendwer sonst bei diesem Fall.
    Immerhin hatte sich Wrangels Verdacht erhärtet, dass er nicht zufällig überfallen worden war. Vielleicht waren nicht nur die Briefe, sondern auch sein vorübergehender Ausfall als Bunks Prokurator Ziel und Zweck des Angriffs gewesen. Und wie war die plötzliche Zurückhaltung aller möglichen Zeugen einzuordnen? Hatte ihnen vielleicht jemand Schweigen nahegelegt? Und die Bemühungen verschiedener Leute, ihn selbst in diesem Fall zu bremsen, wie passten die in das Bild? Was könnten die Tote vom Schweinemarkt, Bunk und die Briefe miteinander zu tun haben? Es gab reichlich Stoff zum Nachdenken.
    Nachdem er noch ein paar Freundlichkeiten mit Abelson ausgetauscht und ein Treffen für den kommenden Dienstag ausgemacht hatte, verabschiedete sich Wrangel von dem Bankier und machte sich auf den Heimweg.

Montag, 13. Dezember 1701
55
    D as Knarren und Quietschen des schweren Türriegels weckte Bunk. Es war noch dunkel, und klamme Kälte hielt ihre Glieder gefangen. Mühsam hob sie den Kopf und schaute zur Tür.
    Im fahlen Lichtschein einer Tranlampe trat nicht wie sonst Jürgen, der Meisterknecht, ein, sondern Asthusen, der Henker persönlich. Noch nie hatte er einen Fuß in Bunks schmutziges Verlies gesetzt, kaum jemals das Wort an sie gerichtet.
    »Heute ist ein wichtiger Tag, Weib. Ich will mit dir reden.« Asthusen ging einige Schritte auf Bunk zu und beleuchtete ihren abgemagerten Körper mit den blutgetränkten Lappen um Hand und Fuß.
    »Heute beginnt dein Gerichtsprozess. Das ist ein wichtiger Tag in deinem Leben. Er wird darüber entscheiden, ob du den Rest deines jämmerlichen und verwerflichen Daseins in Leid und Pein, Kälte, Schmerz und Hunger verbringen wirst, oder ob du den Weg der Reue beschreiten willst und dem Herrn die Möglichkeit gibst, dir einige kleine Gnaden zuzugestehen.«
    Bunk spuckte aus und legte sich zurück auf den fauligen Strohsack.
    »Hör zu, Weib, du weißt, dass deine Schuld gewaltig und die Strafe, die dich erwartet, gerecht sein wird. Du bist der Abschaum unserer Gesellschaft, ein wandelnder Schand- und Sündenpfuhl, der herausgeschnitten gehört aus der Gemeinschaft ehrlicher Christenmenschen. Es gibt für dich kein Zurück mehr in den Kreis ehrlicher und geachteter Menschen und keinen Weg zu Gottes Gnade außer durch die reinigende Kraft der Strafe des Gerichtes. Bedenke das, wenn du nachher vor den Schöffen des Niedergerichtes stehst und deine Urgicht ablegen sollst.«
    »Du redest wie ein Pfaffe, Henker. Was spreizt du deine Worte so salbungsvoll, anstatt mir zu sagen, was du von mir willst?«
    Bunk sah aus dem Augenwinkel, wie Asthusen seinen Ärger über ihren beleidigenden Ton und das respektlose Duzen hinunterschluckte und nach einer passenden Replik suchte. Nur zu, er wollte schließlich etwas von ihr, nicht umgekehrt.
    »Mach nicht wieder Theater und komm bloß nicht auf die Idee, dein Geständnis zu widerrufen, sondern lege heute die Urgicht ab. Wenn du das tust, werde ich dafür sorgen, dass deine Zeit in diesem Verlies deutlich angenehmer als bisher verläuft.«
    »Was hast du zu bieten?«
    Asthusen holte langsam Luft. »Besseres Essen, einen frischen Strohsack, sogar eine Decke wäre möglich. Wenn du allerdings widerrufst, werde ich dir bei der dich dann zu erwartenden peinlichen Befragung Schmerzen

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