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Schandweib

Schandweib

Titel: Schandweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Weiss
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Stimme seine Verteidigung für Bunk.
    Die starrte ihn missmutig an. Warum tat er das? Sie wollte nicht verteidigt werden. Sie wollte Bestrafung. Für Cäcilie und Jähner wie auch für sich selbst als Preis. Da redete er nun von den Schwierigkeiten ihres Lebens als unverheiratete Frau und versuchte zu erklären, warum ihr Tragen von Männerkleidern nichts mit Teufelszeug zu tun hatte. Auch den Streit mit Elisabeth Pausten stellte er als unglücklichen Unfall dar. Dann fing er auf einmal an darzulegen, warum die Tote nicht Maria Rieken sein konnte. Maria hatte dunkles Haar und war klein und mager. DieTote aber hatte einen großen dicken Köper, der mit rotblonden Haaren bewachsen war. Auch ihre Hände waren frei von Schwielen gewesen, nicht wie Bauernhände.
    Bunk wollte das alles nicht hören. Sie schloss die Augen und versuchte sich die Ohren zuzuhalten. Ihre mit einem Strick gebundenen Hände ließen sich nur gemeinsam hochheben. Schon hatte sie ein Gerichtsdiener gepackt und drückte die Hände mit roher Gewalt wieder nach unten. So versuchte sie, sich mit heftigem Atmen abzulenken und sich dem Sinn der Worte, die in ihre Ohren drangen, zu verschließen.
    Das kräftige Klopfen des Holzhammers holte sie zurück. Wrangel saß bereits wieder auf seinem Platz und hielt seine Papiere ordentlich zusammengelegt in der Hand.
    »Nachdem nun alle Parteien ihre Anliegen haben vorbringen können, werden wir Schöffen des Hamburger Niedergerichtes uns zur Beratung zurückziehen und heute in sieben Tagen das Urteil verkünden. Damit beendige ich die Verhandlung des Niedergerichtes, bitte aber die hier anwesenden Zeugen, sich auch nächste Woche wieder einzufinden, sollten ihre Aussagen doch noch vonnöten sein.«
    Wieder klopfte das Hämmerchen, und gleich drauf brach ein reges Gemurmel im Saal aus. Zwei Arme packten Bunk, zogen sie von ihrer Bank hoch und schoben sie mit eisernem Griff den Gang hinunter zur Tür.
56
    E isig fuhr der Wind durch Wrangels Haar und ließ die Spitzen wirr unter seinem Hut hervorflattern. Seine Hände hielt er tief im Mantel vergraben und dachte nicht daran, seinen Hut fester ins Gesicht zu drücken, um dem Spiel des Windes Einhalt zu gebieten. Mit ausgreifenden Schritten ging er die Mattentwiete hinunter, passierte den Cremon und hielt direkt auf das Sandtor zu. Er brauchte frische Luft und wollte allein sein, um in Ruhe über diese unsägliche Gerichtsverhandlung nachzudenken.
    Wie eine schlechte Posse kam ihm die Verhandlung vor. Alle drei Angeklagten hatten widerstandslos die Urgicht abgelegt, wobei ihre geschundenen Körper den Ursprung dieser Geständnisse geradezu herausschrien. Die hübsche junge Jürgens sah um zwanzig Jahre gealtert aus. Nichts war mehr geblieben von der prallen rosigen Fülle ihrer Haut. Schwarzgerändert waren ihren Augen, die Wangen eingefallen und beide Hände dick in Lappen gewickelt, um dem Gericht den Anblick ihrer zerquetschten Daumen zu ersparen. Und der Arzneienkrämer erst. Seine Frau hatte völlig recht, was seinen Arm betraf. Er konnte ihn nicht bewegen. Die Sehnen mussten gerissen sein, als man ihn auf der Streckbank rücklings an seinen Armen hochzog. Zum Glück war Wrangel nicht bei der Folter anwesend gewesen. Er hätte diese Barbarei nicht ertragen. Asthusen hatte ihm im Nachhinein jede Tortur der drei im Einzelnen erzählt. Jähner hatte am längsten durchgehalten und am bitterlichsten geweint und gefleht. Doch als ihm die Sehnen rissen, gestand er alles.
    Das Sandtor war nahezu menschenleer. Kein Wunder, es hatte die letzten Tage fast ununterbrochen geregnet und der Grasbrook stand unter Wasser. Wer ihn nicht unbedingt queren musste, nahm lieber das Steintor, zu dem eine gut befestigte Straße führte. Kaum hatte Wrangel die Wachen passiert und das Torhaus verlassen, fiel sein Blick auf Hunderte von Baumstämmen, die Richtung Hafen neben dem Blockhaus gestapelt waren und als Reserve für den Baumwall zum Schutz vor fremden Schiffen herangeschafft worden waren. In der Ferne sah er vierdänische Kriegsschiffe, die die Elbe überwachten. Kein noch so kleiner Kahn kam unbemerkt und unkontrolliert an ihnen vorbei. Hier konnte er die Bedrohung Hamburgs mit eigenen Augen sehen.
    Er wandte sich gen Osten in Richtung Grasbrooktor . Der Weg über die Wiese lag unter Wasser. Darum blieb er auf dem kleinen Pfad, der über den Rücken der Wallanlage lief. Eigentlich war er den Wachen vorbehalten. Aber heute waren so wenige Menschen unterwegs, dass er die Wachleute

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