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Schandweib

Schandweib

Titel: Schandweib Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Weiss
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    »Danke für Eure Geschichte von dem Wall! Und eine ruhige Wache noch!«
    Wrangel eilte so schnell davon, wie es der glitschige Pfad zuließ. Weder Wind noch Regen spürte er auf seiner Haut. Er musste zu Abelson, so schnell er konnte.

Mittwoch, 15. Dezember 1701
57
    M üde und von innerer Unruhe getrieben bog Wrangel in die Kleine Johannisstraße ein. Wie gewöhnlich hatte er Vikar Claussen nach ihrem gemeinsamen Kaffee nach Hause begleitet. Sie hatten eine gute Stunde über die jüngsten politischen Entwicklungen in der Stadt gesprochen. Claussen machte sich Sorgen über die feindlichen Haltungen der Kirchspiele untereinander. Vor allem in Pastor Krumbholtz von St. Petri sah er einen Anführer der Konfrontationen, nicht nur unter den Kirchspielen, sondern auch zwischen der Bürgerschaft und dem Rat. Wrangel hatte nur mit halbem Ohr zugehört, aber versucht, es sich nicht anmerken zu lassen. Von den Briefen hatte er nichts erzählt. Er war sich nicht sicher. Selbst Abelson hatte davon abgeraten, über die Sache zu sprechen, solange sie nicht weitergekommen waren.
    Es hatte wieder angefangen zu regnen. Wenn es so weiterging, würde Wrangels Mantel gar nicht mehr durchtrocknen können. Ihn fröstelte. Das lag bestimmt an der Müdigkeit. Den vorigen Tag hatte er bis tief in die Nacht hinein mit Abelson über den Briefen gegrübelt. Immer wieder hatten sie den Stich der Wallanlagen in Abelsons Arbeitszimmer in Augenschein genommen. Zweiundzwanzig Bastionen waren es, alle benannt nachehemaligen Bürgermeistern der Stadt, dazu kamen sechs Tore, auch alle mit eigenen Namen. Ihre Scheibe hatte also achtundzwanzig Zacken. Darauf passte ohne Probleme das Alphabet. Aber gab es eine zweite Scheibe? Und wenn ja, dann wo? Ebenfalls in den Zacken der Wallanlagen versteckt? Die Verabredung von Hieronymus und Nikolaus zum Essen, wie passte sie da hinein? Beide Namen fanden sich auch unter den Bastionsnamen wieder. Stundenlang hatten sie Buchstaben hin und her geschoben, mal nach links, mal nach rechts, mal entsprechend der Zahlen, die im Datum angegeben waren: 7, 4, 12 Uhr. Nichts hatte funktioniert.
    Irgendwann schlug Abelson vor, seinen alten Freund Sir Wallis in London hinzuzuziehen. Aber Wrangel war das zu langwierig. Es konnte Wochen dauern, bis sie eine Antwort erhielten. Wenn die Briefe überhaupt unbeschadet nach London gelangten. Für Montag war schon die Urteilsverkündung angesetzt. Die zu erwartende Hinrichtung würde dann nicht mehr lange auf sich warten lassen. Wenn diese Briefe etwas mit Bunk und dem Mord zu tun hatten, woran er immer fester glaubte, je länger er sie betrachtete, wäre es dann zu spät. So hatte er mit Abelson verabredet, heute nach seinem Treffen mit Claussen wieder vorbeizukommen und es noch einmal zu versuchen.
    Den Vormittag über war Wrangel am Niedergericht gewesen. Wilken hatte ihm zum Ende seiner Amtszeit als Prätor, die nach Neujahr auslief, großzügig zwei kleine Fälle zugeschoben. Streitigkeiten wegen Zahlungsverzug. Keine sonderlich lukrativen Dinge. Aber immerhin keine Pflichtverteidigung, sodass mit einem Honorar zu rechnen war. Zwar mochte er eigentlich nichts von Wilken annehmen, aber einen Affront wollte er nicht noch einmal riskieren. Auch konnte er nicht ausschließlich von seinen Rücklagen leben, sondern sollte wenigstens die laufenden Kosten aus seinem Einkommen als Prokurator bestreiten können, wollte er nicht an dem Ast sägen, auf dem er saß.
    Es schlug sechs Uhr, als er vor Abelsons Tür stand. Jurek öffnete ihm mit einer kurzen Verbeugung und geleitete Wrangel direkt ins Kabinett, nachdem er ihm den nassen Mantel abgenommen hatte. Das kräftige Kaminfeuer warf bizarre Schatten an die Wände. Abelson saß hinter seinem Schreibtisch und schrieb an etwas. Als er Wrangel eintreten sah, erhob er sich und begrüßte ihn herzlich.
    »Guten Abend, Prokurator Wrangel. Schön, dass Ihr bei diesem furchtbaren Wetter noch hierher gefunden habt. Erlaubt mir, Euch zum Abendessen einzuladen. Ruth steht schon seit Stunden mit unserer Köchin zusammen in der Küche und versucht sich an einem neuen Bratenrezept.«
    »Guten Abend, Herr Abelson, sehr gern nehme ich die Einladung an. Ein guter Braten vertreibt am besten kleine Sorgen.«
    »Die Sorgen, die Sorgen. Fast den ganzen Tag grüble ich nun schon über unserem Rätsel. Aber es will mir einfach nicht gelingen, die Chiffre zu verstehen. Dabei hat der verschlüsselte Text auffallend viele typische Wiederholungen, die

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