Scharade der Liebe
trat dann zurück, wie ein Soldat, der sich wieder in Reih und Glied einordnet.
Die andere alte Dame, klein und sehr zierlich, blickte ihre Schwester kurz an und trat dann drei Schritte auf ihn zu. »Ich bin Maude Coddington, Mylord. Mathilda wollte eigentlich sagen, dass wir deine Großtanten sind. Wir waren die jüngeren Schwestern deiner Großmutter. Leider starb deine liebe Großmutter Mary bei der Geburt deiner Mama, unserer kleinen Nichte. Unsere andere Schwester, Martha, starb vor drei Jahren an einer Lungenentzündung, und jetzt sind nur noch Mathilda und ich übrig.«
Maude wirkte irgendwie flauschig mit all den Bändern und Bordüren an ihrem Kleid. Ihre Haube war mit künstlichen Trauben und Äpfeln verziert. Sie reichte ihm gerade bis zum obersten Knopf seiner Weste, Mathilda dagegen bis zur Stirn. Das sollten Schwestern sein? Er fragte sich, wie seine Großtante Martha wohl ausgesehen hatte. Er hatte einmal ein Porträt seiner Großmutter gesehen, das gemalt worden war, als sie achtzehn war.
»Es war die Schuld des Pfarrers«, sagte Tante Mathilda.
»Wie bitte?«, fragte Gray. »Was war die Schuld des Pfarrers?«
»Martha«, erwiderte Mathilda.
»Was Mathilda meint, wenn sie dir von dem Zwischenfall erzählen wollte, ist, dass unsere Schwester mit dem Pfarrer spazieren gegangen ist, und es fing an zu regnen, und er brachte sie nach Hause, aber da war es schon zu spät. Sie wurde krank und starb.«
»Oh, das tut mir Leid.« Er lächelte sie an, weil er äußerst höflich war, und außerdem wurde er langsam wirklich neugierig. Sie brachten ihn einfach zum Lächeln. Er sagte: »Danke, dass du mir die Dinge ausführlicher erklärst. Und bitte, wollt ihr euch nicht setzen? Ja, da ist es gut. Ach, du bist hier, Quincy. Bring uns doch bitte Tee und ein paar von Mrs. Posts Zitronenkeksen.« Er wartete, bis sich die beiden alten Damen auf dem Sofa ihm gegenüber niedergelassen hatten, dann setzte er sich ebenfalls. »Tante Mathilda sagte, dass ihr meine Hilfe braucht. Was kann ich für euch tun?«
»Kein Geld«, sagte Mathilda.
»Genau«, sagte Maude. »Das wäre ja geschmacklos, wenn zwei alte Damen zu dir kämen und dich um Geld bäten. Nein, finanzielle Hilfe brauchen wir nicht von dir, Mylord. Wir leben in der Nähe von Folkstone und sind gut situiert. Unser Vater hat uns bestens versorgt.«
»Reiche Gatten«, sagte Mathilda.
»Ja, nun, unsere Gatten haben uns auch wohl versorgt zurückgelassen. Es waren gute Männer.« Tante Maude holte tief Luft und fügte mit dramatischer Stimme hinzu: »Nein, Mylord, wir bitten dich um deine Hilfe als Oberhaupt der Familie St. Cyre.«
»Sehr jung«, sagte Mathilda.
Gray erwiderte langsam: »Ich bin vermutlich wirklich sehr jung für ein Oberhaupt der Familie, allerdings gibt es auch nicht mehr allzu viel Familie. Ich bin gerade sechsundzwanzig geworden. Es gibt noch ein paar Cousins, die ich noch nie gesehen habe und denen es wahrscheinlich egal ist, ob ich am Leben oder tot bin, aber sonst gibt es niemanden. Es freut mich sehr, dass ihr meine Tanten seid, und natürlich werde ich euch in jeder Beziehung helfen. Ah, da ist Quincy mit Mrs. Posts Keksen und dem Tee.«
Gray sah zu, wie Quincy, der als junger Mann sehr dünn gewesen und jetzt so rundlich wie einer von Mrs. Posts Rinderschinken geworden war, den Tee einschenkte und den beiden alten Damen half, sich aus ihren zahlreichen Hüllen herauszuschälen. Mathilda war völlig in Schwarz gekleidet, von der altmodischen Haube bis zu den Schuhen an ihren langen, schmalen Füßen. Alles war schwarz. Sogar das Medaillon, das sie um den Hals trug, war schwarz. Er hatte noch nie in seinem Leben ein schwarzes Medaillon gesehen.
Maude war in Rot gekleidet. Nein, das stimmte nicht ganz. In das Rot mischte sich auch ein wenig Braun und Rosa, was für die Augen leichter zu ertragen war. Es gab doch ein Wort für diese Farbe. O ja, es war fleischfarben, ein hässliches Wort, hatte er immer gefunden - es klang nach der Farbe tagelang aufbewahrter Reste. Ihre Haube war fleischfarben und die Schuhe an ihren sehr kleinen Füßen auch. Fleischfarben, dachte er, sah an Maude recht hübsch aus.
Als die beiden Damen sich wieder hingesetzt hatten und die Teetassen anmutig in ihren blau geäderten Händen hielten, sagte Gray: »Bitte, erzählt mir, was ich tun kann.«
Mathilda trank einen Schluck von ihrem sehr heißen Tee und sagte, als teile sie ihm damit alles umfassend mit: »Flut.«
Maude biss ein Stück von ihrem
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