Scharfe Pranken
sie wusste, dass Bo »Ich bin Gottes Geschenk ans Universum und Eishockey« Novikov nicht mehr mit ihr würde Schritt halten können, wenn sie erst einmal in Fahrt gekommen war. Sie war zu schnell. Dank der vereinten Laufstärke von Wildhund und Wolf lief sie beinahe so schnell wie ein Gepard. Der einzige Nachteil war, dass sie nicht über das Lungenvolumen eines Gepards verfügte. Manchmal, wenn sie über sehr lange Zeit sehr schnell lief, hatte sie das Gefühl, ihre Brust würde explodieren. Manchmal fiel sie auch in Ohnmacht und wachte erst Tage später wieder auf – aber darüber würde sie sich morgen Gedanken machen.
Jetzt wollte sie einfach nur rennen und rennen und rennen und …
Heilige Scheiße! Ist das kalt!
Der Schnee fiel in einer einzigen mächtigen Wand vom Himmel, und der Wind schleuderte Blayne beinahe von der Veranda. Kreischend lief sie zurück ins Haus und knallte die Tür zu.
Bo stand gegen den Türrahmen der Küche gelehnt, die Arme vor seiner Brust verschränkt, ein breites Grinsen im Gesicht. Überheblich! Das war das einzige Wort, das ihr einfiel, um seinen Ausdruck zu beschreiben. Überheblich und unhöflich!
»Bisschen kühl draußen?«, fragte er.
»Oh, halt die Klappe!« Sie ging vor der Tür auf und ab und fragte sich, was sie nun tun sollte. Dann fiel ihr der Fernseher wieder ein.
Sie hatte die Fernbedienung bereits in der Hand und richtete sie auf den Fernseher, als Bo hinter ihr ins Wohnzimmer trat und sagte: »Das Kabelfernsehen funktioniert nicht.«
»Was?« Sie schaltete den Fernseher trotzdem an, aber auf dem Bildschirm herrschte ein noch schlimmeres Schneegestöber als draußen. »Was zur Hölle?«
»Das Kabelfernsehen fällt fast immer aus, wenn es so schneit wie jetzt.«
»Das ist ja wie im finsteren Mittelalter!«, rief sie und schaltete den Fernseher wieder aus. Sie hielt es nicht aus, auf dieses flirrende Weiß zu starren, und holte weit mit ihrem Arm aus.
»Wirf nicht mit der Fernbedienung!«, warnte Bo. »Du machst sie nur kaputt, und dann dreht Grigori völlig durch.«
Mit einem frustrierten Grummeln ließ sie die Fernbedienung auf die Couch fallen und begann, erneut auf und ab zu gehen.
»Mir ist so verdammt langweilig!«
»Und was können wir dagegen tun, dass dir so langweilig ist?«
»Ich weiß es nicht!«
Er lehnte sich entspannt gegen die Wand. »Du könntest was lesen.«
»Lesen?« Sie hätte ihn am liebsten angespuckt. »Seh ich aus, als könnte ich mich ein paar Stunden hinsetzen und lesen?«
»Kein Fernsehen, nicht laufen und auch nicht lesen … Mein Gott, was könntest du nur tun, um all diese überschüssige Energie loszuwerden?«
»Ich weiß es nicht!«, jammerte sie niedergeschlagen.
»Na gut, während du dir irgendwas einfallen lässt, gehe ich schon mal ins Bett. Du kannst natürlich gerne mitkommen.«
»Ich bin nicht müde!«
»Okay. Dann viel Glück. Wenn du mich für irgendwas brauchst – ich bin im Bett. Nackt.«
Blayne erstarrte. Nackt. Ein nackter Bo. Und wenn sie auch nackt wäre …
Sie drehte sich um, aber er war bereits verschwunden.
Mistkerl.
Bo hörte irgendetwas hinter sich, aber als er über seine Schulter blickte, sah er nichts als den leeren Flur. Er zuckte mit den Schultern, drehte sich wieder nach vorn und blieb abrupt stehen.
Blayne stand vor der Schlafzimmertür, eine Hand auf dem Türrahmen, die andere auf ihrer Hüfte. Wie sie an ihm vorbeigekommen war …
»Ja?«, fragte er.
»Also … äh … bist du beschäftigt?«
»Ich gehe ins Bett. Ich bin müde, und die Sonne geht bald auf. Könntest du mal Platz machen?«
Er versuchte, sich an ihr vorbeizuquetschen, aber sie stellte sich in die Ecke und versperrte ihm den Weg. »Bist du wirklich müde?«
»Völlig erschöpft. Erst das Spiel und dann die lange Feier in der Bar. Was soll ein Mann wie ich da tun?«
»Oh, Mann, ich weiß auch nicht.« Sie ging auf ihn zu und schlang ihre Arme um seine Brust. »Gibt’s denn irgendwas, das du gern hättest?«
»Ich bekomme sowieso immer alles. Was hast du denn zu bieten, das so besonders wäre?«
Blayne schnappte nach Luft. »Du unhöflicher Sohn einer …«
»Das hab ich mir gedacht.« Er fasste an ihr vorbei, öffnete die Tür und trat ins Zimmer.
»Läufst du jetzt einfach weg?«
»Ich laufe nicht weg. Ich gehe weg. Ins Bett.«
»Ja, aber …«
»Nacht, Blayne.« Er fasste die Rückseite seines Trikots, zog es über seinen Kopf und streifte es ab. Als er sich einige Haarsträhnen aus dem
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