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Scharfe Pranken

Scharfe Pranken

Titel: Scharfe Pranken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G. A. Aiken
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sich ab und sprang aufs Dach. Er überquerte es mit schnellen Schritten und sprang von der Dachrinne direkt auf Blayne hinunter, die die Richtung gewechselt hatte und im Wald hinter Grigoris Haus verschwinden wollte.
    Bo warf sich von hinten auf sie, schlang seine Arme um ihren Oberkörper und zog sie an sich. Sie kreischte, als sie gemeinsam auf den Boden zurauschten, aber er drehte sich um und fing den Aufprall mit seiner Schulter und seinem Rücken ab.
    Sie landeten hart, und Bo wusste aus Erfahrung, dass seine Schulter höchstwahrscheinlich das Schlimmste abbekommen hatte. Einen langen Moment lang blieben sie liegen, Bo flach auf dem Rücken, Blayne auf seinem Bauch, und starrten in den dunklen Himmel empor.
    Nach einer Weile sagte Blayne: »Ich will immer noch rennen.« Sie versuchte, sich aus seinen Armen zu winden, aber Bo hielt sie fest. »Ich will rennen«, insistierte sie.
    »Das ist mir egal, Blayne.«
    »Du kannst mich hier nicht festhalten, du Vandale!«
    »Ich kann. Und ich werde.«
    »Warum?«
    »Weil du immer weiter und weiter rennen wirst … und dabei keinen Schimmer hast, wie du wieder hierher zurückfindest. Du wirst dich im Schnee verlaufen, und ich und der Rest der Stadt werden nach dir suchen müssen. Aber dazu wird es nicht kommen.«
    Sie atmete langsam aus, und ihr Körper entspannte sich, aber Bo ließ sich nicht täuschen. Nach nicht einmal einer Minute versuchte sie erneut verzweifelt, sich zappelnd aus seinen Armen zu befreien, knurrte ihn an und schnappte nach ihm. Er ließ es zu. Er ließ sie knurren, schnappen, fauchen, zappeln und gegen ihn ankämpfen – und alles, was ihr sonst noch so einfiel. Er ließ sie gut dreißig bis vierzig Minuten zappeln und hielt sie fest. Irgendwann keuchte sie heftiger, und ihr Körper erschlaffte. Da er annahm, dass sie ihre überschüssige Energie endlich abgebaut hatte, rappelte er sich auf, hielt sie jedoch weiter mit einem Arm um ihre Taille fest und trug sie ins Haus seines Onkels.
    Drinnen beschloss Bo, während er sie noch immer festhielt, dass sie ein Glas warme Milch brauchte. Das hatte ihm immer beim Einschlafen geholfen, als er noch ein Kind gewesen war. Zumindest konnte es nicht schaden. Auch während Bo ein wenig Milch in einen Topf schüttete, um sie aufzuwärmen, und ein paar Holzscheite und Zeitungspapier in den Kamin warf, um die Flammen wieder zum Knistern zu bringen, trug er Blayne mit sich herum. Er konnte es einfach nicht riskieren, sie irgendwo hinzulegen. Er konnte nicht riskieren, dass sie ihm wieder entwischte. Besonders, da er hören konnte, dass der Wind draußen zunahm und ihnen ein weiterer Sturm bevorstand.
    Er goss die Milch in eine Tasse und trug sie und Blayne zurück ins Wohnzimmer. Dort setzte er Blayne auf die Couch und reichte ihr die Tasse. Sie schüttelte sie. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass Blayne zitterte und mit den Zähnen klapperte. Er griff hastig nach einer der Decken, die auf der Couch lagen, und breitete sie über ihre Beine aus.
    »Besser?«
    Sie nickte. »Es ist so kalt.«
    »Dein Adrenalinrausch ist vorbei. Und du hast keine Hose an.«
    »Sie war zu groß. Du musst als Kind wirklich abartig groß gewesen sein.«
    »Deshalb nennt Fabi mich wohl immer noch Fleck, was?«
    Sie nippte an der Milch und verzog das Gesicht. »Kann ich nicht ein bisschen Schokolade in …?«
    »In hundert Jahren nicht.« Oder zumindest nicht heute Nacht. »Kein Zucker, kein Koffein. In Schokolade ist beides. Du trinkst das jetzt und entspannst dich.«
    Sie machte einen Schmollmund, und Bo warnte sie: »Und wag es ja nicht, die Tasse zu werfen. Trink es einfach, Blayne. Jetzt.«
    »Ich mag aber keine pure Milch.«
    »Ist mir egal. Und jetzt trink.«
    Sie gehorchte, aber wenn er es nicht besser gewusst hätte, hätte er glatt selbst geglaubt, dass er sie zwang, Arsen zu trinken. Als sie fertig war, nahm er ihr die Tasse wieder ab und brachte sie in die Küche zurück. Er spielte mit dem Gedanken, sie gleich abzuspülen, was er normalerweise auch getan hätte, aber aus irgendeinem Grund …
    Als Bo wieder in den Flur kam, war Blayne bereits durch die Haustür hinausgespurtet. Diesmal rannte er ihr jedoch nicht hinterher. Er schaute ihr nur zu.
    Blayne rannte nach draußen, bereit für eine schöne lange Joggingrunde. Ihr war soooo langweilig! Sie hasste es, sich zu langweilen. Sie hasste es, zu lange an ein und demselben Ort eingesperrt zu sein. Sie hasste es, nicht tun zu können, was sie wollte, wann sie es wollte. Und

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