Schatten der Angst (German Edition)
1
Die liebliche Musik ihrer Schreie hallte in seinen Gedanken wider, als er genüsslich den Duft des Lavendelshampoos einsog, das er für sie ausgesucht hatte. Er saß im Schneidersitz auf einem Teppich aus Kiefernnadeln und strich ihr über das Haar, mühelos glitten seine Finger durch die seidige braune Masse, die er eigenhändig gewaschen und gebürstet hatte.
Das metallische Aroma von Blut, das unter dem Lavendelduft lag, reizte seine Sinne. Mit den Fingerspitzen fuhr er über ihren nackten Bauch bis hinunter zu ihrem süßen Schoß. Die Versuchung zu verweilen war stark, doch das Ritual war noch nicht vollendet.
Er hob die blutrote Rose vom Boden auf und bettete die samtenen Blütenblätter zwischen Kates blasse, üppige Brüste. Dann formte er ihre Finger so, dass sie den Stiel umschlossen, und indem er ihre Handflächen zusammenpresste, sorgte er dafür, dass sich der einzige verbliebene Dorn in ihr Fleisch grub. Als er sich erhob, starrten ihn die gebrochenen hellblauen Augen anklagend an, genau so, wie sie es damals in Summerville getan hatten, als er ihr zum ersten Mal eine Rose geschenkt hatte.
Sollte sie doch glotzen. Sie konnte ihm nicht mehr wehtun, nicht an diesem Tag.
Ein rhythmisches, pochendes Geräusch hallte zwischen den Bäumen wider, ein frühmorgendlicher Jogger, der versuchte, der bevorstehenden Hitze und Feuchtigkeit eines weiteren brütend heißen Sommertags zuvorzukommen. Die ersten Sonnenstrahlen lugten bereits durch die Kiefern und funkelten auf den Schaukeln und Kinderrutschen des Spielplatzes.
Bumm. Bumm. Näher. Noch näher. Kalter Schweiß brach ihm aus, während er auf das Näherkommen des Joggers lauschte. War Kate bereits wieder hinter ihm her, so schnell? Egal, wie häufig er sie bestrafte, sie kehrte immer wieder zurück. Dann bog er um eine Ecke, und da stand sie vor ihm – verdammte ihn mit ihrem hochmütigen Blick und verspottete ihn mit ihrem sündhaft verlockenden, langen Haar.
Er riskierte einen raschen Blick nach unten und atmete erleichtert auf. Sie lag immer noch auf dem Boden. Sie war noch nicht zurückgekehrt, um ihn zu quälen.
Noch nicht.
Nach einem letzten sehnsüchtigen Blick auf ihren Körper glitt er zwischen den Palmettopalmen hindurch und folgte seinem provisorisch angelegten Pfad durch den Wald. Neben einer Reihe von Müllcontainern verließ er den Wald und betrat den Parkplatz von Shadow Falls ’ einzigem Einkaufszentrum. Er zog sich rasch um, wobei er die schmutzigen Kleider gegen saubere austauschte, die er in einer Plastiktüte versteckt hatte. Dann trat er hinter den Müllcontainern hervor, warf die Tüte in den Kofferraum und stieg in den Streifenwagen.
Angesichts der bereits am frühen Morgen drückenden Hitze von fast dreißig Grad lockerte Polizeichef Logan Richards seine Krawatte und tat sein Bestes, sich im Schatten der moosbewachsenen Lebenseiche zu halten. Ein paar Meter entfernt befragte Officer Karen Bingham die junge Joggerin, die die Leiche gefunden hatte. Logan hatte seine Hilfe angeboten, doch Karen hatte ihm erklärt, dass die junge Frau keinen Mann mit der Gestalt eines Footballspielers gebrauchen konnte, der drohend über ihr aufragte, wenn sie ohnehin schon zu Tode verängstigt war.
Auch wenn er niemals ein professioneller Footballspieler gewesen war, sah er das ein. Seine Größe schüchterte viele Leute ein. Diese Tatsache war ihm hier in Shadow Falls während seiner Zeit als Streifenpolizist und später in den rauesten Bezirken von New York City sehr zupassgekommen. Doch diese junge Zeugin einzuschüchtern war das Letzte, was er wollte.
Sie saß nur wenige Meter entfernt auf einer Holzbank, wo eine Gruppe Kiefern sie vor den Pressekameras schützte. Ihr sommersprossiges Gesicht war blass, sie hatte die Schultern eingezogen und die dünnen Arme um ihren Leib geschlungen. Sie zitterte, als befände sie sich inmitten eines Schneesturms und nicht an einem hochsommerlichen Julitag im Pfannenstiel, dem nordwestlichen Ende Floridas.
Jemand rief Logans Namen. Er blickte hinüber zu dem unanständig fröhlich wirkenden gelben Absperrband, das einen Teil des Parks abriegelte und das in starkem Kontrast zu dem makabren Anblick stand, der sich innerhalb seiner Grenzen bot. Die Gerichtsmedizinerin Cassie Markham winkte ihn zu sich, um die ersten Erkenntnisse mit ihm zu teilen.
Logan ging hinüber zum Absperrband und duckte sich darunter hindurch, wobei er darauf achtete, nicht auf eins der hellorangefarbenen Schilder zu treten, die
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