Schatten der Angst (German Edition)
zurück, die sie am dringendsten brauchte, doch obwohl sie mit jenen Polizisten schon seit Jahren nicht mehr gesprochen hatte, konnte sie sich immer noch an ihre Namen erinnern. Manche Dinge vergaß sie einfach nie.
So sehr sie es auch wollte.
Bürgermeister Edward Montgomery hievte seine schwere Gestalt die Treppenstufen hinauf und nahm mit gerötetem Gesicht den Platz vor seinen Polizisten ein, die hinter dem Pressepult mit den Mikrofonen aufgereiht standen. Seine stets heitere Persönlichkeit und sein rundliches Erscheinungsbild hatten ihm den Spitznamen Weihnachtsmann eingebracht. Heute war von Heiterkeit keine Spur zu sehen. Nachdem er eine der kürzesten Reden seit Beginn der Wahlkampfperiode gehalten hatte, stellte er Polizeichef Logan Richards vor und gab jemandem, der nicht im Bild war, ein Zeichen.
Ein Mann mit kurzem dunklen Haar trat ins Bild und stellte sich neben den Bürgermeister, den er deutlich überragte. Richards, der trotz der erdrückenden Hitze tadellos in einen marineblauen Anzug gekleidet war, strahlte Selbstvertrauen und Autorität aus.
Der bisherige Polizeichef war vor sechs Monaten in den Ruhestand gegangen und nach Kalifornien gezogen. Amanda wusste, dass Richards sein Nachfolger war und dass er aus New York kam, aber sie hatte den Nachrichtenmeldungen über ihn und seine Einstellung nicht viel Beachtung geschenkt. Dieser Teil ihres Lebens war Vergangenheit, und sie wollte nie wieder etwas mit Polizisten zu tun haben.
Er sah jünger aus, als sie erwartet hatte, etwa Mitte dreißig, auch wenn er den wenigen silbernen Strähnen in seinem blauschwarzen Haar zufolge vielleicht auch älter war. Seine Haut war ebenmäßig und gebräunt, mit einem etwas dunkleren Schatten in der Kinnregion. Wahrscheinlich war er einer dieser Männer, die immer so aussahen, als müssten sie sich gerade rasieren. Bestimmt machte ihn das wahnsinnig, es stand in so großem Gegensatz zu seinem sonstigen gepflegten Äußeren.
Als er sprach, übertönte sein volltönender, tiefer Bariton das Geplapper der Journalisten und forderte die Aufmerksamkeit aller Anwesenden ein. Seine Rede war kurz und prägnant, er bestätigte, was Tiffany Adams bereits berichtet hatte, fügte jedoch nur wenig hinzu.
Er nickte einem Journalisten des Shadow Falls Journal zu, demselben Reporter, der Amanda schonungslos ausgefragt hatte, als man sie damals aus dem Krankenhaus entlassen hatte. Nachdem sie seine groben, intimen Fragen über ihre Verschleppung über sich hatte ergehen lassen, hatte sie nie wieder einem Interview zugestimmt – zumindest keinem vonseiten der Presse. Die Detectives hatten sie so häufig befragt, dass sie irgendwann in sarkastischem Ton gedroht hatte, zwecks Zeitersparnis ins Polizeirevier zu ziehen.
»Chief, können Sie bestätigen, dass es sich bei der Leiche im Park um die vermisste Collegestudentin Carolyn O’Donnell handelt?«, fragte ein Journalist.
»Bevor wir nicht mit den Angehörigen gesprochen haben, ist es mir nicht möglich, die Identität des Opfers preiszugeben …«
»Verlangen Sie wirklich von uns zu glauben, dass es sich bei der toten Frau nicht um O’Donnell handelt?«, rief derselbe Journalist.
Richards deutete auf einen anderen Reporter und entzog auf diese Weise erfolgreich dem Journal -Reporter seine Aufmerksamkeit, der daraufhin rot anlief und sich verhaspelte.
Amanda konnte ein Grinsen nicht unterdrücken.
»Ja, die Leiche wurde nur wenige Meter vom Jogger-Hauptweg, in einem abgelegenen Gebiet des Parks, entdeckt«, entgegnete Richards als Antwort auf eine andere Frage.
»Nein, der Jogger, der das Opfer gefunden hat, wird nicht verdächtigt.«
»Ich kann den Verdacht des sexuellen Übergriffs weder bestätigen noch verneinen, bevor die Autopsie abgeschlossen ist.«
»Nein, ich kann zu diesem Zeitpunkt noch nichts Konkretes zur Todesursache sagen.«
Mehrere Minuten lang stellten die Journalisten weitere Fragen. Als ein anderer Reporter die Frage nach der Identität des Opfers wiederholte, dankte Polizeichef Richards den Anwesenden für ihre Zeit und marschierte davon, womit er die Pressekonferenz abrupt beendete. Amanda lächelte über seinen Mut.
Der Aufnahmewinkel der Kamera veränderte sich und richtete sich erneut auf Tiffany Adams. Nüchtern bestätigte sie, dass es sich bei der unbekleideten Leiche im Park um die Studentin im zweiten Studienjahr handelte, die während der Semesterferien, die sie bei ihren Eltern verbracht hatte, verschwunden war. Sie bezog sich auf
Weitere Kostenlose Bücher