Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger)
möglich gewesen.« Gemeinsam erhoben wir die
Gläser und ließen uns von dem erfolgreichen Moment treiben.
»Was ist hier los!«, schepperte es den
Gang entlang und wurde von dem Schnaufen schneller Schritte begleitet. Mit hochrotem
Kopf baute sich Herr Kunz vor mir auf und sah zutiefst entrüstet aus.
»Was soll schon los sein? Unsere
Emilia ist die jüngste erfolgreiche Projektleiterin!«, entgegnete Clara
schnippisch und versuchte sich zwischen uns zu drängen. Neben ihrer
Mütterlichkeit hatte sie einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, der durch die rüde
Art von Herrn Kunz regelmäßig herausgefordert wurde.
»Nun, ähm … ja«, suchte er nach den
richtigen Worten. »Meinen … ja … mhh … Glückwunsch.« Wieder war er gegen das
erhobene Haupt einer Frau nicht gewappnet. Leider hielt diese Verunsicherung
nicht lange an. »Nun aber genug mit der Feier. Durch ein erfolgreiches
Projekt, hat man noch kein erfolgreiches Unternehmen geschaffen.«
Noch ehe sich Clara erneut in
Position bringen konnte, schob ich sie behutsam beiseite. »Er hat recht. Lasst
uns in das nächste Projekt stürzen, auf das es noch schneller und erfolgreicher
wird, als das Bisherige.« Ich zwinkerte den umstehenden Kollegen zu, die sich
sukzessive, begleitet von wildem Stimmengewirr, zurückzogen.
Auch Herr Kunz machte auf dem Absatz
kehrt und brauste in sein Büro.
Es hatte mich noch einige beruhigende
Worte gekostet bis auch Clara wieder ihrer Arbeit nachging, ohne permanent
Beschimpfungen zu blubbern.
Vorsichtig stellte ich die Blumen
beiseite. Ihr Duft war betörend und die Blüten erstrahlten in den schönsten
Farben. Kurz genoss ich diesen friedlichen Moment und ließ mich dabei in meinen
Stuhl sinken.
Ich griff zum Telefon. Jetzt gab es
nur noch einen, den es zu informieren galt – Alexander. »Ihr könnt starten«, sprach
ich in den Hörer und konnte dabei meinen freudigen Unterton nicht unterdrücken.
Noch immer rumpelte es in meinem Magen vor Aufregung.
»Ich hab schon alles veranlasst«,
entgegnete Alexander trocken. Es dauerte einen Moment bis ich Stück für Stück den
Inhalt seiner Worte verstand.
»Bist du von allen guten Geistern
verlassen!«
»Du glaubst doch nicht im Ernst, dass
er das hätte ablehnen können. Es war ja vielleicht für dich das erste Projekt
dieser Art, aber ich habe schon so einige begleitet und ehrlich Emilia, kaum
eines davon hatte deinen Arbeitsstand. Warum also warten?«
Ich konnte nichts darauf erwidern.
Wenn das rauskäme, dass er die Freigabe bereits vor dem offiziellen Beschluss
erteilt hatte, würde das mehr als nur Ärger bedeuten.
»Was hältst du von Mittagessen?
Immerhin haben wir was zu feiern«, sprach er weiter langhin, als wäre nichts
geschehen. Dieser Mann hatte einfach eine beneidenswerte Ruhe.
Er wartete meine Antwort nicht einmal
ab. »Ich hol dich um zwölf ab.«
An mein Ohr drang nur noch ein Tuten
– er hatte aufgelegt.
* * *
Ich hatte Alexander bei meiner ersten
Weihnachtsfeier unserer Firma kennen gelernt. Damals war ich ganz neu im
Unternehmen und kannte so gut wie niemanden der Anwesenden.
Alexander war ein Programmierer in
unserer IT Abteilung und bereits zwei Jahre länger dabei als ich. Ich konnte
mich nicht mehr daran erinnern, wer von uns beiden die Initiative ergriffen
hatte. Aber irgendwie war eines zum anderen gekommen und ein Wort hatte das
Nächste ergeben. Wir hatten ewig über verschiedene Dinge diskutiert – Politik,
Wirtschaft, Finanzkrise, Kapitalanlagen – die Zeit war wie im Flug vergangen
und fast wie von selbst wurde aus einem vorher fremden Arbeitskollegen ein
Freund.
Er war etwas zu lieb für meinen
Geschmack als das daraus hätte mehr werden können. Zudem war ich zu dem
Zeitpunkt bereits mit Robert zusammen.
Aber als Freund war er unersetzbar.
Noch nie hatte ich jemanden kennen gelernt, der so gut zuhören konnte. Dabei
blieb er scheinbar immer unvoreingenommen und wog sachlich das für und wider ab.
»Das kommt, wenn man vier kleine
Schwestern hat«, hatte er gemeint und konnte sich dabei selbst kaum das Lachen
verkneifen.
Normalerweise aßen wir nie zusammen.
Wir waren in verschiedenen Stockwerken untergebracht und hatten, mit Ausnahme
der letzten Kampagne, keinerlei Berührungspunkte bei der Arbeit.
Still saßen wir nebeneinander und ich
stocherte in meinem Essen herum. Meine Gedanken waren dabei ganz wo anders.
»Willst du aus deinem Kartoffelbrei
ein Kunstwerk zaubern?«
Als ich zu ihm aufsah, war seine
objektive,
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