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Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger)

Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger)

Titel: Schatten der Gegenwart (Für Immer & Länger) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Norda
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heraus und im nächsten Moment war sie hinter der
nächstgelegenen Tür verschwunden.
    Ich hatte ihr aufmerksam zugehört,
immer mal wieder genickt und war erschlagen von so vielen Informationen. Wer
war sie doch gleich? Hatte sie sich überhaupt vorgestellt?
     Ich hängte meine Jacke an die
hölzerne Garderobe und ließ alles auf mich wirken. Die Wände des Flures waren
in hellem Orange verputzt und leise Musik drang an mein Ohr – es kam aus dem
Gedenkzimmer. Wollte ich mir wirklich ansehen, was sie darunter
verstanden?
    Würde ich auf einen altargleichen
Raum stoßen, der mich mit einer Vielzahl von Fotos Verstorbener konfrontierte? Eine
düstere Gruft in der es nach Weihrauch roch und in denen Kerzen andächtig
flackerten?
    Konnte ich so etwas schon ertragen?
    Die Neugier war schließlich größer
als meine Angst und so öffnete ich die linke Tür. Das Bild das sich mir bot war
zugegebenermaßen ernüchternd.
    Vor mir offenbarte sich ein
lichtdurchfluteter Raum. An den bodentiefen Fenstern hingen durchscheinende
weiße Vorhänge, die zwar die Blicke neugieriger Nachbarn abhielten, aber dem
einfallenden Licht Eintritt gewährten.
    Die Stereoanlage in der
gegenüberliegenden Ecke des Raumes spielte leise Musik – Chopin, wenn mich mein
Gehör nicht täuschte. Mehrere gemütlich anmutende Sessel boten an, Platz zu
nehmen. Auf den kleinen Tischen davor waren Teller mit Keksen platziert.
    Anders als um Flur waren die Wände
weiß – bis auf eine große schieferfarbene Tafel zu meiner Rechten. Als ich genauer
hinsah erkannte sah ich, dass es nicht eine sondern insgesamt vier Tafeln
waren. Sie hatten die Form von Puzzleteilen, die zusammen ein Gesamtbild
ergaben. In der Mitte prangte ein goldfarbener Kreis, der alles zu verbinden
schien.
    Ich kriegte keine Luft mehr.
    Es war nicht das Aussehen der Tafeln,
das mir den Atem nahm, sondern das Wort, das mich ansprang.
    »TOD«
    Ich war noch nicht bereit dafür, dass
wusste ich jetzt. Ich konnte das hier nicht machen, nicht hierbleiben.
    Als ich mich abwand prallte ich mit
der zierlichen Frau zusammen, die sich wie aus dem Nichts hinter mich postiert
hatte. Ich hatte sie nicht einmal kommen hören.
    »Sie sind nicht die Erste, der es so ergeht,
im Gegenteil. Nur wenn wir uns unseren Ängsten stellen, können wir sie auch
bezwingen. Und welche Angst könnte größer sein, als die vor dem Tod?« Wieder
drang ihre sonore Stimme in meinen Kopf.
    »Aber entschuldige, ich glaube ich
habe mich noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Sophie, die begleitende Therapeutin
dieser Einrichtung.« Diese Stimme, ihr Klang. So hatte ich mir immer eine Psychiaterin
vorgestellt. Wie konnte man sich dieser Stimme auch verwehren, die bei jedem Wort
in meinen Gedanken zu wildern schien.
    »Ich bin Emilia«, und ganz automatisch
waren wir beim Du angelangt.
    »Schön dich kennen zu lernen Emilia.«
Sie ging auf die Tafel zu und hob sachte die Hand als Zeichen, dass ich zu ihr
kommen solle. »Komm näher, du musst deinen Blickwinkel verändern, um das alles
zu verstehen.«
    Was machte diese Frau nur mit mir?
Ich konnte mich gar nicht so schnell dagegen wehren, wie meine Beine sich wie
von selbst in Bewegung setzten und mich unaufhörlich diesem Grauen näher
brachten.
    Ich stand direkt neben ihr, ganz nah
an den Tafeln und ich erkannte, was sie meinte. Das gerade noch erschreckende
Wort war aus dieser Distanz kaum noch zu erkennen. Es waren einfach breite
schwarze Streifen, die das Gold in verschiedene Abschnitte teilten.
    Und ich sah noch viel mehr als das.
Auf jeder der vier Puzzleteile war ein Text eingraviert, der sich nur schwach
von dem Schiefer abhob.
    »Alles was du empfindest ist ein
Kreislauf, die Aneinanderreihung von Phasen, die in enger Beziehung zueinander
stehen. Verleumdung – Emotionen – Suche – eine neue Welt«, begann sie zu
erklären und ihre Hand beschrieb einen Kreis um die Puzzleteile. Auf jedem von
ihnen stand eines dieser Worte.
    »Zuerst kannst und willst du das
alles nicht wahrhaben, schließlich kann es doch nicht sein, dass er jetzt nicht mehr da ist. Das alles ist bestimmt nur ein schlimmer Traum. Er
kommt sicher gleich wieder. Es ist doch ein er , oder?«, unterbracht sie
abrupt und sah mich an.
    »Er war mein Ehemann«, bestätigte ich
ihre Vermutung.
    Sie nickte und fuhr fort.
    »Dann kochen die Emotionen über –
Wut, Trauer, Freude, Zorn, Angst – alles zur gleichen Zeit. Die Suche nach
einem Schuldigen beginnt und jedes Wort anderer scheint zu

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