Schatten der Vergangenheit (Junge Liebe) (German Edition)
hinten. Hast dir ja ganz schön Zeit gelassen“, reißt mich Manuel, einer meiner Freunde, aus meinen Gedanken, kaum dass ich den Club betrete, wofür ich ihn dankbar anlächle und mit einer freundschaftlichen Umarmung begrüße, ehe ich ihm an den besagten Tisch folge, wo außer ihm noch Daniel, Robert und Bea sitzen. Letztere knutschend mit einem mir völlig fremden Typen, den sie folglich noch nicht wirklich lange kennen kann. Sonst wüsste ich zumindest bereits seinen Namen und wahrscheinlich auch sämtliche Vorzüge, die er so zu bieten hat. Demnach gehe ich davon aus, dass er ihre neueste Eroberung ist und hoffe inständig, dass sie nicht wieder an so einen Spacken wie ihren Ex geraten ist.
„Hey, Ben“, werde ich erneut, dieses Mal zweistimmig, begrüßt, wobei man schon eindeutig einen gewissen Alkoholspiegel aus den Stimmen von Daniel und Robert heraushören kann, was mich nur amüsiert mit dem Kopf schütteln lässt. Immerhin waren wir erst für neun Uhr verabredet und ich bin gerade mal eine Dreiviertelstunde zu spät, in der Zeit sich meine Freunde scheinbar auch ohne mich schon königlich vergnügt haben. So sind zumindest zwei von ihnen gut angeheitert und Bea hatte bereits Gelegenheit, sich eine nette Beschäftigung zu suchen, von der sie sich jetzt allerdings löst und mich mit einem breiten Strahlelächeln ebenfalls empfängt, das jedoch nicht lange anhält, weil sie mit jedem Schritt, den sie näherkommt, ganz deutlich etwas von ihrer Fröhlichkeit verliert und nur noch ein reichlich besorgter Blick übrig bleibt, als sie mich am Arm unerbittlich ein Stück von den anderen wegzieht.
„Hey, Schatz, was ist los? Stress mit Holger? Du siehst ja aus, als wärst du einem Geist begegnet“, dreht sie mich rigoros in alle Richtungen, als wolle sie überprüfen, ob ich irgendwelche Schäden, wovon auch immer, aufzuweisen habe, weil sie Holger offensichtlich für einen absoluten Schlägertypen hält. Was er ganz sicher nicht ist, aber seine manchmal etwas ruppige Art Fremden gegenüber, macht scheinbar den Eindruck und daher fällt es schwer, Bea vom Gegenteil zu überzeugen. Mit ihrer Äußerung, was den Geist betrifft, liegt sie allerdings nicht ganz so verkehrt, denn immerhin ist es der Geist meiner Vergangenheit, der mich eiskalt eingeholt und meine kleine heile Welt aus der Fassung gebracht hat.
Auf die Nase binden werde ich ihr das aber nicht, weil niemand von meinen Freunden genau weiß, warum ich vor sechs Jahren hierher gezogen bin. Der Streit mit meinem Vater war damals schlicht eine nette Ausrede. Und ebenso der vorgeschobene Ausbildungsplatz, auch wenn ich wirklich glücklich war, dass ich ihn bekommen habe, war mehr nur ein angenehmer Nebeneffekt, um meine überstürzte Flucht zu rechtfertigen. Eine Entschuldigung für mich selbst, weil ich damals komplett jeglichen Kontakt zu meinem früheren Leben von einen auf den anderen Tag abgebrochen habe. Die einzige Verbindung zu meiner Vergangenheit, die noch besteht, beschränkt sich auf gelegentliche Telefonate mit meiner Mutter, wobei die Abstände zwischen den Gesprächen auch immer größer werden. Was ganz klar nicht ihre Schuld ist. Vielmehr liegt es daran, dass ich mit jedem Anruf das Gefühl habe, meine damalige Entscheidung zu bereuen und auf seltsame Art von einer Angst beherrscht werde, dass ich dem Drang zurückzukehren nicht mehr widerstehen könnte.
„Sag schon, was hat er angestellt?“, scheint Bea mein Schweigen völlig falsch zu deuten, weshalb ich abwehrend meinen Kopf schüttle und mich an einem kläglichen Lächeln versuche.
„Er hat überhaupt nichts gemacht, Süße. Ich … hab Schluss gemacht“, flüstere ich den letzten Teil nur noch, weil er sich selbst in meinen Ohren völlig falsch anhört und ich meinen Fehler erst jetzt so wirklich realisiere. Ich habe ganz eindeutig vollkommen überreagiert und kann es doch nicht rückgängig machen, weil ich das Gefühl habe, dass es nicht richtig wäre. Egal wie ich es drehe oder wende, ich komme mir vor wie ein Ekel.
„Oh“, scheint auch Bea nicht wirklich überzeugt von meiner plötzlichen Eingebung, wo ich ihr doch ständig beteuert habe, wie gut Holger mir tut und ihn oft genug vor ihren Zweifeln in Schutz genommen und verteidigt habe. Trotzdem besitzt sie genug Feingefühl, momentan nicht weiter darauf einzugehen, weil sie viel zu gut weiß, dass mir Ablenkung jetzt viel besser bekommt als eine Analyse, auf die ich mich allerdings mit Sicherheit spätestens morgen
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