Schatten der Vergangenheit (Junge Liebe) (German Edition)
die letzten sechs Jahre verschwendete Zeit gewesen und völlig verloren, weshalb ich irgendwie wieder einen klaren Kopf bekommen muss. Was ganz sicher niemals klappen wird, wenn Holger wie ein Häufchen Elend hier vor mir steht und mir meinen Fehler viel zu offensichtlich macht.
„Ich kann nicht. Nicht jetzt“, versuche ich ihn abzuwimmeln, obwohl ich die Worte ganz klar nicht mit genug Deutlichkeit herausbringe und deshalb auch nicht den erwünschten Effekt damit erziele. Vielmehr erkennt Holger in meinem Zögern meine Schwäche und lässt ihn nun doch wieder auf mich zukommen, bis ich eine Wand in meinem Rücken spüre und somit nicht weiter ausweichen kann, wofür ich ihn gerade wirklich hasse. Ich fühle mich in die Ecke gedrängt, genau wie vor sechs Jahren, obwohl es damals doch ganz anders war. Dennoch fühlt es sich ganz ähnlich an. Weil sich wieder diese unsagbare Hilflosigkeit in mir ausbreitet und mich auf Abwehr gehen lässt.
„Verschwinde, Holger“, ist es nicht mehr als ein Zischen, was ihn allerdings abrupt aufhält und Verständnislosigkeit in seinem Blick widerspiegelt, auf die ich jedoch keine Rücksicht nehmen kann. Ich muss mich selber schützen. Vor mir.
„Gott, Ben, du kannst mich nicht einfach so grundlos abservieren. Erklär’s mir wenigstens, damit ich weiß, was ich falsch gemacht habe, aber lass mich hier nicht einfach wie den letzten Volltrottel stehen. Ich liebe dich, verdammt“, scheint Holger reichlich aufgebracht und bemüht sich dennoch, seine Lautstärke zu zügeln. Ob aus Rücksicht auf mich oder meine Nachbarn spielt dabei keine Rolle, es macht mir trotzdem viel zu deutlich, wie sehr ich ihn verletzt habe. Und genau darüber möchte ich nicht nachdenken, wie ich die Menschen, die mir am Herzen liegen, verletze und ihnen nur schade. Deshalb sollte er mir doch eigentlich dankbar sein, dass ich ihn gehen lasse.
„Es tut mir leid, aber ich kann nicht“, wispere ich so leise, dass ich bezweifle, dass Holger es hören kann und dränge mich einfach an ihm vorbei, um mit zitternden Fingern meine Wohnungstür aufzuschließen und alles und jeden auszusperren.
Kapitel 2
Leider klappt meistens Nichts, so wie man es sich gerne wünscht, und somit ist es auch kaum verwunderlich, dass mich das nervtötende Klingeln meines Telefons aus einem zumindest halbwegs erholsamen Schlaf reißt. Auch wenn ich mich letzte Nacht noch Ewigkeiten unruhig in meinem Bett herumgewälzt habe, und mehrmals drauf und dran war, Holger doch noch anzurufen, um ihm wenigstens eine Erklärung für mein Verhalten zu liefern, bin ich über diese Überlegungen anscheinend doch eingeschlafen. Ob zu meinem Glück oder Pech sei nun mal dahingestellt. Fakt ist, es hat funktioniert, auch wenn mich jetzt irgendwer ungebeten einfach wieder in die unschöne Realität, mit all meinen Problemen, zurückholt.
An einem Samstagmorgen wohlgemerkt, der den Leuten eigentlich zum Ausspannen dienen soll. Doch mir gönnt jemand scheinbar dieses Privileg nicht, weil das Telefon permanent weiterhin meine Nerven strapaziert und kein Erbarmen zeigt. Also schäle ich mich schließlich aus meinem kuscheligen Bett, das ich ursprünglich heute überhaupt nicht verlassen wollte, und tapse unmotiviert in den Flur, wo mich mein Anrufbeantworter schon eifrig leuchtend empfängt und mir freudig im Display drei Anrufe entgegenblinken, die ich gestern bei meiner Rückkehr offensichtlich übersehen habe. Allerdings kümmere ich mich vorerst lieber um den aktuellen, aufdringlichen Störenfried, der offenbar mehr Ausdauer als ein Hamster im Laufrad hat.
Dabei sollte ich mir irgendwann mal angewöhnen, ehe ich ein Gespräch blindlings annehme, vorher vielleicht nur einen klitzekleinen Blick auf das Telefon zu werfen, und wäre somit eventuell dem nächsten Dämpfer entgangen. Hab ich aber blöderweise nicht und muss mich deshalb völlig unerwartet mit meiner Mutter auseinandersetzen. Was an und für sich schon ziemlich ungewöhnlich ist, da wir erst vor zwei Tagen miteinander telefoniert haben und ich eigentlich davon ausging, für die nächsten Wochen Ruhe zu haben. Leider ist dem ganz und gar nicht so und ich hoffe inständig, dass es nicht wieder zu einer ihrer Lieblingsgewohnheiten wird, mich regelmäßig zu kontaktieren. Immerhin stürzt mich jedes ihrer Gespräche ständig wieder in ein reines Gefühlschaos und davon hab ich momentan eigentlich weiß Gott genug.
„Benjamin Höfer, hörst du mir überhaupt zu?“, klingt ihre Stimme sehr
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