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Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition)

Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition)

Titel: Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian V Ditfurth
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Er hätte gern gewusst, was sie dachte. Stachelmann dachte an Ossi und warum der sterben musste. Abkürzung eines verpfuschten Lebens?
    »Glaubst du, dass Ossi glücklich war?«, fragte er.
    »Woher soll ich das wissen?« Sie überlegte, dann sagte sie: »Nein, eher nicht. Er machte auf mich einen« – sie gestikulierte, als suchte sie mit der Hand das Wort – »verzweifelten Eindruck. Diese Angeberei sollte vielleicht sagen: Ich bin in Wahrheit nicht dieser popelige Polizist, ich bin ein anderer.«
    »Ja, er wollte der Anwalt der Bewegung werden. Aber die Bewegung gibt es nicht mehr. Und den Anwalt gab es schon nicht mehr, als manche sich noch einbildeten, es gäbe die Bewegung noch. Er ist im Studium gescheitert, und sein Dasein als Polizist erinnerte ihn tagtäglich daran.«
    »Und seine Familie?«
    »Über die weiß ich nichts oder noch weniger. Aber als Familienvater scheint er auch gescheitert zu sein. Seine Frau ist eine schreckliche Ziege. Ich habe sie mal kurz erlebt.«
    »Vielleicht hat sie ...«
    »Weil sie eine Ziege ist? Nein. Möglich ist theoretisch immer alles. Auch dass du ...«
    »Pah!«, sagte sie.
    »Ossi hat etwas getan, das ich nicht verstehe. Er hat Regine, meiner ehemaligen Freundin, angekündigt, ich würde sie anrufen.«
    »Wahrscheinlich hat er sich wieder aufgespielt. Der hat wohl in der Thingstättensache was herausgekriegt, und ich glaube auch, dass er schon zu seiner Studienzeit geahnt hat, wie das gelaufen ist. Schließlich kannte er die Typen alle. Jedenfalls machte er mal wieder auf Mister Wichtig. Vielleicht wollte er den großen Coup landen und sich als derjenige feiern lassen, der einen Mord nach fast dreißig Jahren im Alleingang aufgeklärt hat. Wäre typisch für ihn. Und spräche übrigens gegen die Selbstmordthese.«
    »Und Regine?« Er erzählte ihr, wie er all die Jahre ein schlechtes Gewissen hatte, weil er davongelaufen war. Und wie er Regine jüngst erlebt hatte.
    »Du hast doch Ossi tausendmal besser gekannt als ich. Regine wird irgendwas erzählt haben, wie seltsam sich eure Beziehung aufgelöst hatte. Und Ossi wird gesagt haben, er richte das schon, würde dir schonend beibringen, dass Regine damals längst einen anderen hatte. Und damit die Dinge ein für alle Mal erledigt würden, würde er dich dazu bringen, sich bei Regine zu melden. Es ging nicht um dein schlechtes Gewissen, es geht sowieso nicht immer nur um dich, verehrter Herr Kollege, sondern darum, dass Regine sich schlecht gefühlt hat. Vielleicht auch nur, wenn sie betrunken war. Und das war sie bestimmt, wenn sie mit Ossi eine Kneipe besucht hat.«
    Felix begann zu husten.
    Während sie im Kinderzimmer versuchte Felix zu beruhigen, schweiften seine Gedanken nach Italien. Zu dem Loch, in dem Köhler und Zastrow hausten. Einen Augenblick fiel ihn der Gedanke an, sie könnten ihn ausgetrickst haben. Wenn sie wussten, dass er auf ihrer Spur war, hätten sie die Möglichkeit gehabt, ihm Theater vorzuspielen. Aber dann rief er sich ins Gedächtnis, wie Zastrow ausgesehen hatte. Nicht einmal ein Schauspieler hätte das hingekriegt. Zastrow war eine lebende Leiche. Ob ich die Polizei informieren soll, damit sie den Fall abschließen kann? Nein, erst wenn ich alles weiß, was herauszukriegen ist. Dann vielleicht. Eigentlich ist es mir egal.
    Dann hatte er Eleonora vor Augen, wie sie ihm nachwinkte in Volterra im weißen Kleid, das sie vielleicht angezogen hatte, um ihm zu gefallen.
    »Du bist ja ganz weit weg«, sagte Anne. Er hatte nicht gemerkt, dass sie zurückgekommen war.
    »Ja«, sagte er. Er fühlte sich ertappt. »In Italien. Du hättest Zastrow sehen sollen. Ein Bild des Grauens, das ich so schnell nicht vergessen werde.«
    Schweigen.
    »Mal sehen, was in den Nachrichten kommt«, sagte sie und schaltete das Fernsehgerät ein. Sie schauten hin, aber Stachelmann hörte kaum zu. Die Bilder rauschten vorbei und verwandelten die Welt in eine Einheitssoße. Der Mann von der einen Partei sagte etwas, und die Frau von der anderen erwiderte etwas, und es war offensichtlich, dass sie nicht meinten, was sie sagten.
    In der Nacht lag er lange wach. Sie lag neben ihm und atmete gleichmäßig. Als die Schmerzen sich meldeten, stand er auf, ging ein paar Schritte, fand eine Tablette, schluckte sie und hoffte, sie würde wirken. Irgendwann kroch er wieder unter die Decke, sie lag inzwischen auf der Seite und wandte ihm den Rücken zu. Er versuchte geordnet zu denken, aber in seinem Kopf herrschte Chaos. Wie kann es

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