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Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition)

Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition)

Titel: Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian V Ditfurth
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konnte in der Apotheke?
    »Die Rechtsmedizin«, sagte sie. »Das wäre die plausibelste Erklärung.«
    Darauf hätte er selbst kommen können. »Stimmt. Und was heißt das?«
    »Du musst herauskriegen, ob Ossi mit einem Fall zu tun hatte, in dem dieses Zeug eine Rolle spielte. Oder ob ein Pathologe aus irgendeinem Grund mit ihm darüber gesprochen hat, wenn es keinen Fall gab. Von allein konnte Ossi nicht darauf kommen.« Sie sagte es einfach so hin. Dann kratzte sie sich an der Nase. »Wenn das so war, dann war es wahrscheinlich ein Freitod. Wenn nicht, eher Mord.«
    Sie hatte Recht. »Und dieser ganz Thingstättenfall hat gar nichts zu tun mit Ossis Tod. Ich habe mir das nur zusammengereimt. Genauso, wie ich mir die Todesfälle in Heidelberg zusammengebastelt habe zu einem Muster.«
    »Das ist eben so«, sagte sie trocken. »Die Menschen kennen keine Zufälle, sie sortieren alles in Muster ein, die sie der Wirklichkeit aufzwingen. Die unschlagbaren Experten auf diesem Gebiet sind die Verschwörungstheoretiker. Aber du bist auch nicht schlecht, hast gewaltige Fortschritte gemacht auf dem Weg in deine Privatwelt. Schön, dass du dich mit Normalsterblichen überhaupt noch abgibst.«
    Ihr Spott schmerzte ihn, auch wenn er sich eingestand, es war ihre Art, sich mit Dingen auseinander zu setzen. Und, verdammt, sie hatte Recht. Immerhin hatte er sich nicht zu weit verrannt, noch akzeptierte er Tatsachen, aber man musste sie ihm schon an den Schädel hauen.
    »Wenn ich die Muster oder besser Wahngebilde auflöse, bleibt tatsächlich nur die Frage übrig, ob Ossi an dieses Präparat herankommen konnte oder nicht. Beziehungsweise wer sonst etwas wusste von der Wirkung des Insulinsprays.«
    »Du übertreibst. Diese Thingstättenspur war nicht ohne. Ossi war in Heidelberg, hat danach gefragt, aber offenbar nicht nachdrücklich. Und dass die Akten auf seinem Schreibtisch lagen, das kann viele Gründe haben.«
    »Das kann viele Gründe haben«, wiederholte er. Er nickte.
    Sie schaute ihn neugierig an, sagte aber nichts, versank eine Weile in sich selbst. Sein Hirn sortierte die Dinge neu. Aber pass auf, dass du nicht ein Wahngebilde durch ein anderes ersetzt.
    »Was ist?«, fragte sie.
    Jetzt wäre eine Gelegenheit gewesen, offen mit ihr zu sprechen. Aber warum sollte er die Harmonie zerstören, die gerade zu wachsen schien. »Nichts. In meinem Kopf dreht es sich mal wieder. Wenn es ausgegoren ist, melde ich mich.«
    Sie grinste.
    »Warum grinst du?«
    »Ach nichts«, sagte sie. »In meinem Kopf drehen sich Dinge, und wenn es ausgegoren ist, melde ich mich.«
    Sie lachte, dann lachte er mit.
    Sie räumten ab und gingen ins Wohnzimmer. Er stellte sich ans Fenster und schaute hinaus. Die Rechtsmedizin, das wäre die einzig plausible Verbindung zwischen einem Kriminalpolizisten und dem Spray. Wenn Ossi sich das Zeug dort besorgen konnte, war alles klar. Dann könnte er endlich aufhören zu suchen. Aber wenn Ossi es nicht von dort hatte? Dann drängte sich eine andere Möglichkeit auf. Bitte nicht. Bitte, bitte nicht.
    »Was ist mit dir?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich überlege gerade, welche Möglichkeiten sich aus deiner Idee ergeben könnten.«
    »Prüf doch erst einmal die eine, und wenn es die nicht ist, kannst du dich immer noch mit den anderen beschäftigen. Aber ich sehe, du hast vor etwas Angst.«
    »Vor Bohming und davor, dass mir der Himmel auf den Kopf fällt.«
    Sie lachte nicht, sondern schaute ihn ernst an. »Schade, dass du keinen Zaubertrank hast.«
    Er lachte nicht, hörte kaum, was sie sagte. Da bohrte etwas in seinem Hirn.
    »Was ist? Sag schon.« Sie kannte ihn ja.
    »So genau weiß ich das noch nicht.« Das war eine halbe Lüge, sofern Lügen teilbar waren. »Wollen wir reden? Über den Urlaub und alle meine weiteren Sünden?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Eher nicht, es sei denn, du willst es unbedingt. Ich weiß doch, was ich an dir habe und was ich nicht an dir habe. Das wird durch Reden nicht besser. Ich werde dich nicht ändern können, sondern muss mir überlegen, ob ich dich so will, wie du bist.«
    »Und?«, fragte er. Er ärgerte sich, seine Stimme klang ängstlich.
    »Was bleibt mir übrig?«, sagte sie.
    »Morgen komme ich nicht«, sagte er.
    »Bist du zu Hause?«
    »Nein, ich muss etwas klären.«
    Ihr Blick war eine einzige Frage. Aber sie fragte nicht.
    »Morgen gehe ich zuerst zur Rechtsmedizin. Und dann sehen wir weiter.«
    »Dann siehst du weiter, hoffentlich.«
    Sie saßen lange schweigend.

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