Schatten des Wolfes - Schatten des Wolfes - Cry Wolf (Alpha & Omega 1)
einer Seite zur andern.
Wenn sie die Hexe tötete, würde sie den Marrok befreien.
Sie drehte sich um und schaute das schlaffe, bewusstlose Mädchen an. Die Hexe sah so jung aus, so unschuldig, als könnte sie auf keinen Fall all das angerichtet haben.
Anna hatte schon zuvor jemanden getötet, aber das war beinahe ein Unfall gewesen. Kaltblütig zu morden war etwas anderes.
Walter wusste, wie man tötete. Instinktiv suchte sie nach ihm, aber er hatte sich nicht bewegt... nur seine Augen. Sie waren doch sicher geschlossen gewesen, als sie ihn liegen gelassen hatte! Nun standen sie offen und waren mit einem weißlichen Film überzogen.
Anna zwang sich dazu, sich neben ihn zu knien, ohne wirklich zu wissen, wie sie dorthin gelangt war. Kein Herzschlag, keine Atmung. Dieser Mann hatte einen Krieg und mehr als dreißig Jahre in selbst auferlegter Isolation überlebt, und nun war er für sie gestorben. Sie ballte die Hände - eine im Handschuh, die andere bloß - in seinem Fell zusammen.
Dann ging sie zu der bewusstlosen Hexe, packte ihr Kinn und ihren Oberkopf und drehte mit mehr als menschlicher Kraft. Es war einfach, so wie es in den Filmen aussah. Ein Knacken, und die Hexe war ebenso tot wie Walter.
Sie ließ sie los, stand auf und machte einen Schritt zurück. Sie atmete viel zu angestrengt. Es war so still im Wald, als hätte die ganze Welt tief Luft geholt und noch
nicht wieder ausgeatmet. Als wäre sie das einzige lebende Geschöpf auf der ganzen weiten Welt.
Betäubt drehte sie sich auf ihren erfrorenen Füßen um und sah, wie sich der Marrok über den leblosen Charles beugte.
Es war zu spät.
Als die Sonne langsam unterging und hinter den dunklen Bergen den Himmel in Flammen setzte, hielt Asil die immer noch bewusstlose Sarai in den Armen. Er vergrub seine Nase an ihrem Hals, atmete den vertrauten Geruch ein, den er niemals wieder zu riechen geglaubt hatte. Sie war so schön.
Sie waren nahe genug, um den Kampf zu hören, befanden sich aber nicht in Sichtweite der Hexe, also würde es ihr schwerer fallen, sie zu beherrschen.
Asil wartete. Er hatte alles getan, was er konnte, um sie beide aus dem Kampf herauszuhalten, da sie nur auf der falschen Seite stehen würden, wenn sie kämpften. Mehr konnte er nicht tun.
Also hielt er Sarai auf dem Schoß und versuchte zu vergessen, dass es das letzte Mal war.
Wenn Mariposa Erfolg hatte, würde sie ihn umbringen. Er hatte ihr Sarai wieder abgenommen, und das würde sie nicht zulassen. Wenn Charles oder Bran Mariposa umbrächten, wäre seine Sarai für immer tot. Die Schöpfungen einer Hexe überlebten ihre Schöpferin nicht.
Also hielt er sie im Arm, atmete ihren Geruch ein und tat so, als würde dieser Augenblick niemals enden. Tat so, als hielte er Sarai... roch beinahe einen Hauch von Zimt.
Als ihr Duft mit dem von Fichten und Kiefern verschwamm, mit Schnee und trostlosem Winter, fragte er
sich, wenn er diese Zukunft vor langer Zeit hätte vor sich sehen können, als man ein verängstigtes, zerschlagenes Kind zu seinem Haus gebracht hatte, ob er dann so mutig gewesen wäre, sie zu töten? Er legte den Kopf in vollkommener Verzweiflung auf ein Knie und hatte nur noch ein kleines, zerrauftes Stück ihres Fells in der Hand.
Er brachte es nicht über sich, sich zu freuen, dass Mariposa tot war und Sarais Wolf endlich frei sein würde.
Und das wäre auch eine voreilige Freude gewesen, denn Wahnsinn raste durch ihn wie ein Waldbrand im August. Er war zu müde, aber seiner Wut war das gleich, sie nahm ihn nur in ihren unversöhnlichen Griff und verlangte, dass er sich veränderte. Das Heulen des Windes erklang am Berghang, und Asil heulte ebenfalls.
Die Bestie war erwacht. Asil öffnete die Hand und ließ den Wind den letzten Teil von Sarai mitnehmen, bevor er dem Ruf folgte.
Anna dachte erst daran zu rennen, als sie schon halb bei Charles war.
Er konnte nicht tot sein. Sie hätte die verdammte Hexe zwei oder drei Minuten früher umbringen können. Es durfte einfach nicht ihre Schuld sein, dass er tot war - dass sein Vater ihn getötet hatte.
Sie kam dicht am Marrok vorbei, und seine Macht toste über sie hinweg, als sie durch sie eilte, fiel, und im Schnee rutschte. Sie kroch die letzten zwei Fuß bis zu Charles hinüber. Er hatte die Augen geschlossen und war über und über mit Blut bedeckt. Sie streckte die Hand aus, aber sie hatte solche Angst, ihn zu berühren.
Sie war so sicher, dass er tot war. Als er die Augen aufschlug, brauchte sie
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